■ Mit Kinderkonten auf du und du: Leichtfertiger Umgang
Hamburg (taz) – „Ich verdrehe allen Mädchen den Kopf“, scherzt das wuschelige Pudelmännchen, „sobald ich eine anschaue, schaut sie weg.“ Solche schmissigen Witze sind in der Februar-Ausgabe von „Marc & Penny“ zu lesen, dem Kindercomic der Volksbanken. Verbraucherschützer kritisieren solche „Lockmittel“ im Marketingeinsatz: Potentielle Kontenkids ködere die Deutsche Bank mit einem kostenlosen PC-Paket „voller Überraschungen“, die Postbank werbe mit kostenlosem Btx-Anschluß, und in Duisburg verschenke die örtliche Stadtsparkasse T-Shirts.
Die meisten Kreditinstitute würden einen leichtfertigen und sorglosen Umgang mit dem Geld fördern, analysiert Ulrike Pilz-Kusch von der Düsseldorfer Verbraucherzentrale. Die Bankenwerbung verführe zum sofortigen spontanen Geldausgeben, statt sparsam hauszuhalten. Dabei hätte schon im Jahr 1995 das Bundesaufsichtsamt die Finanzindustrie verpflichtet, Minderjährige zu verantwortungsvollem, schuldenfreiem Geldausgeben anzuhalten.
Trotzdem werden immer noch Produkte verkauft, die es Kontenkids erlauben, Schulden zu machen, klagt Finanzexpertin Pilz-Kusch. Ihre Verbraucherzentrale hatte 1.000 14- bis 17jährige Schüler und Schülerinnen befragen lassen: 7,3 Prozent der Minderjährigen haben ihr Konto überzogen. 6,8 Prozent verfügen über einen Dispokredit. 11,6 Prozent besitzen eine EC-Karte, mit der das Schuldenmachen, etwa beim bargeldlosen Einkauf im Kaufhaus, nicht ausgeschlossen werden kann.
Dagegen behauptet der Sparkassenverband in Bonn: „Wir haben nichts zu dementieren, wir verkaufen nicht auf Teufel komm raus.“ Ebenso verantwortungsvoll geben sich die Volks- und Raiffeisenbanken, der Bundesverband privater Kreditinstitute und auch die Deutsche Bank.
Wie es allerdings zu den überschuldeten Kontenkids und zu diversen Regelverstößen komme, können die Presseabteilungen nicht erklären. Die Regeln für die Kontenvergabe an Jugendliche wurden zwar an die Filialen verteilt. Doch anscheinend halten sich nicht alle in jedem Punkt an die Vorgaben.
Möglicherweise ist dies auch in einigen Konzernzentralen erwünscht, denn die junge Welle entspringt einem ökonomischen Engpaß: Deutschland gilt als „overbanked“ – zu viele Filialen teilen sich zu wenige Bundesbürger! Obendrein stört sich die Finanzwelt an dem Beharrungsvermögen der Kundschaft, soweit sie Stammkunde bei der Konkurrenz sind: Die Hälfte der Erwachsenen wechselt nie im Leben ihre Kontoverbindung, da könnten die Kontenkids aushelfen. Hermannus Pfeiffer
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