■ Mit Hamburgs Atomausstieg auf du und du: Weicher Übergang
Hamburg (taz) – Einen Alleingang Hamburgs in den Atomausstieg wird es nicht geben. Der Stadtstaat wird seine Ausstiegspolitik in die Energiekonsensgespräche zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft „einbetten“, wie es Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) formuliert. Die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) sind Mitbetreiber der vier Atommeiler in Stade, Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel, die an der Elbe liegend Hamburg umklammern. Sie haben den bundesweit höchsten AKW-Stromanteil.
Auch in der Hansestadt gibt es Konsensgespräche, zu denen sich die Kontrahenten vorgestern abend im Rathaus erstmals trafen. Zwei Stunden lang hatten Regierungschef Runde und der grüne Umweltsenator Alexander Porschke mit HEW- Vorstandssprecher Manfred Timm „ein konstruktives Gespräch“ geführt, mit dessen Ergebnis die drei Herren sich „zufrieden“ zeigten. Der Bürgermeister, zugleich Vorsitzender des HEW-Aufsichtsrates, freute sich über die Einigung auf „ein sortiertes Aussteigen“. Der Umweltsenator, ebenfalls im Aufsichtsrat der HEW, hält nunmehr die Abschaltung des ersten Atommeilers in drei bis vier Jahren für gesichert. Und der Konzernchef, dessen Unternehmen mehrheitlich im Besitz der Hansestadt ist, findet es gut, daß „das magische Datum 30. September vom Tisch ist“. Bis zu diesem Termin müßten die HEW den Gesellschaftervertrag über das AKW Brunsbüttel (66,66 Prozent Anteile) mit dem Atomkonzern PreussenElektra (Preag, 33,33 Prozent) kündigen, um den Meiler „in 2002/2003“ stillegen zu können.
Diese Zielvorgabe enthält die im November 1997 geschlossene rot-grüne Hamburger Koalitionsvereinbarung. Zwar wird diese Kündigung, stellte Timm klar, „nicht erfolgen“. Wenn das Kraftwerk „nicht mehr wirtschaftlich“ sein sollte – was es „derzeit“ sei –, würde seine Stillegung „ohnehin“ auf der Tagesordnung stehen. Anders als in Hamburg steht in der Debatte auf Bundesebene aber das AKW Stade ganz oben auf der Liste der am schnellsten stillzulegenden Atommeiler. Der Reaktor gehört der HEW zu einem Drittel und der Preag zu zwei Dritteln.
Deshalb, sagt Timm, der gleichzeitig Sprecher der Stromkonzerne bei den Bonner Konsensgesprächen ist, habe er sich mit dem rot-grünen Hamburger Senat „auf einen weichen Übergang“ verständigt. Denn durch den Regierungswechsel im Bund sei der Hamburger Koalitionsvertrag in diesem Punkt überholt, sagt auch Umweltsenator Porschke. Aus der Fixierung auf das Abschalten Brunsbüttels ist deshalb eine Option geworden: Würde in Bonn die Stillegung des Uraltreaktors Stade beschlossen, wäre das Hamburg „als erster Schritt“ auch genehm. Hauptsache, bis zur nächsten Bürgerschaftswahl im Herbst 2001 sei mindestens ein AKW vom Netz – oder dessen baldige Stillegung beschlossene Sache. Und das, so Porschke, sei nunmehr realistisch. Sven-Michael Veit
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