piwik no script img

Misshandelte Kinder im LockdownGewalt gibt es in allen Schichten

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Die Corona-Maßnahmen führten dazu, dass Kinder in benachteiligten Familien von ihren Eltern misshandelt werden, heißt es oft. Das ist diskriminierend.

Auch in einem Mittelschichtshaushalt kann das Stress-Niveau hoch sein Foto: Jan-Philipp Strobel / dpa

E s ist richtig, sich um Kinder zu sorgen, die aufgrund der Pandemie-Einschränkungen von ihren Eltern misshandelt werden – und zu überlegen, wie man dem entgegenwirken kann. Aber bitte bei allen Kindern.

Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit sind nur diejenigen, die in Familien aufwachsen, die umschrieben werden als „schwierig“, „belastet“, „benachteiligt“. Der Versuch, ein Wort zu finden für Hunderttausende, zeigt, dass hier grob verallgemeinert wird. Nach dem Motto: Wer arm ist und Hilfe bei der Erziehung braucht, schlägt die Kinder spätestens im Lockdown oder lässt seinen Frust anders an ihnen aus.

Wer sagt, dass der Stress in sozial und finanziell besser aufgestellten Familien geringer ist? Vielleicht streiten sich die Eltern permanent, weil beide im Home-Office arbeiten müssen, während die Kinder betreut werden müssen.

Zudem müssen Menschen, die wenig Geld haben, derzeit auf weniger verzichten als andere. Mama kann nicht zum Yoga als Ausgleich, Papa nicht ins Stadion. Und was macht man mit den Kids die ganze Zeit, wenn Kino, Theater, Freizeitpark und Zoo geschlossen haben?

Und keine Sozialarbeiterin kennt diese Familien, ruft mal an oder organisiert die Notbetreuung im Kindergarten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; Systemische Beraterin.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Einleitung war gut, Sie können gern den ganzen Artikel veröffentlichen :-)

  • Ich kann Frau Bruhn nur zustimmen. Was die Sache noch komplizierter macht: Selbst wenn jemand auf die Probleme in der Familie aufmerksam wird, haben gut angesehene, selbstbewusste und wohlhabende Menschen wesentlich mehr Möglichkeiten, Sozialarbeiter und Ärzte abzuwimmeln und zu täuschen.



    Sie vermeiden oft alle äußeren Anzeichen der Verwahrlosung, die Kinder sind vielleicht teuer gekleidet, äußerst höflich und 'wohlerzogen', dabei möglicherweise ein bisschen 'schüchtern'. Was dahintersteckt, ahnt man ohne längere Beobachtung nicht.



    Außerdem tun sich diese Eltern auch leicht, ihrerseits mit Anwälten zu drohen und im Zweifelsfall Verleumdungsklage einzureichen.

  • Wenn man - vermutlich zurecht - diskriminierende Stereotype wie arm=gewalttätig kritisiert, sollte man sich nicht zu anderen Klischees wie Mittelschichtsmama=Yoga Mittelschichtspapa=Stadion hinreißen lassen.