Missbrauch: Kirche ohne Kontrolle
Auch nachdem Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden, hatte ein Ahrensburger Pfarrer dienstlich mit Jugendlichen zu tun. Die Kirche tut sich schwer, das zu erklären.
In der Nordelbischen Kirche gibt man sich zuversichtlich, dass ein Fall wie der von Dieter K. heute nicht mehr passieren könnte. Schließlich würden die Richtlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch, die die Evangelische Kirche Deutschlands gerade überarbeitet hat, inzwischen auch für Nordelbien gelten. Warum es jedoch dazu kommen konnte, dass ein Pfarrer, dem 1999 sexueller Missbrauch vorgeworden wird, bis 2003 an einer Schule als Religionslehrer tätig ist - darauf gibt es bislang keine erhellende Antwort. "Bestimmte Kontrollmechanismen haben nicht funktioniert", sagt der Sprecher der Nordelbischen Kirche, Thomas Kärst.
Dem inzwischen im Vorruhestand stehenden Pfarrer Dieter K. wird vorgeworfen, in den 70er und 80er Jahren sieben Jugendliche in Ahrensburg sexuell missbraucht zu haben, darunter seine drei Stiefsöhne. Ein Opfer wandte sich an seine damaligen Dienstherrin, der Pröpstin Heide Emse, die daraufhin mündlich, so sagt sie, Kirchenvorstand, Kirchenamt und Bischöfin Maria Jepsen informierte.
Dieter K. wird nach Neumünster versetzt, um dort ein Konzept für die Gefängnisseelsorge zu erarbeiten. Tatsächlich wird er jedoch auch in der Jugendseelsorge tätig. Das wiederum erfährt eines seiner früheren Opfer, das sich erneut an Pröpstin Emse wendet. Erst daraufhin versetzt diese Dieter K. in den vorläufigen Ruhestand. Ähnlich deprimierend sind die Erfahrungen seiner Stiefsöhne: Diese wenden sich an den Kollegen ihres Stiefvaters, Pfarrer H., der die Vorwürfe jedoch nicht ernst genommen habe. Das soll er gegenüber dem Abendblatt zugegeben haben. Inzwischen haben sich zwei Frauen gemeldet, die aussagen, sie seien als 17- beziehungsweise 18-Jährige Opfer seiner sexuellen Übergriffe geworden.
In der nordelbischen Kirche sind für Personal- und Disziplinarfragen der Gemeindepfarrer die Pröpste und Kirchenämter zuständig.
Der Landesbischof oder die Landesbischöfin wird vom Kirchenamt monatlich über Personalfragen informiert; Dringliches soll unmittelbar kommuniziert werden.
Bei einem Disziplinarverfahren gegen Geistliche im Ruhestand können als mögliche Sanktion die Ruhebezüge gestrichen werden.
Bischöfin Maria Jepsen hat, vom Spiegel befragt, angegeben, sie könne sich nicht erinnern, über Missbrauchs-Vorwürfe gegen Dieter K. informiert worden zu sein. Damit widersprach sie nicht nur der Darstellung von Pröpstin Emse, sondern auch der einer Schwester eines Opfers, die Jepsen am Rande einer Veranstaltung 1999 angesprochen haben will. Sprecher Kärst sagt dagegen, die Bischöfin habe dies nicht ausschließen können, sich jedoch nicht erinnert. In jedem Fall sei sie nicht ausreichend informiert worden, da immer nur von Verfehlungen, nicht aber von sexuellem Missbrauch gesprochen worden sei.
Laut Staatsanwaltschaft Lübeck sind drei der Fälle inzwischen verjährt. Inzwischen laufen gegen die Pfarrer K. und H. kirchliche Ermittlungen.
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