Missbrauch in Österreich: Analverkehr mit dem Heimleiter
Ein ehemaliger Benediktinerpater wird zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er hatte über Jahre Schüler seines Internats physisch und sexuell misshandelt.
WIEN taz | „Ich hol die Pumpgun und erschieß dich, du Jud!“ Diese Drohung gehörte noch zum Harmlosesten, was einem früheren Konviktsleiter im Stift Kremsmünster, Oberösterreich, zur Last gelegt wurde. Der 79-jährige, in den Laienstand versetzte Ordensmann wurde am Mittwoch vom Landesgericht Steyr zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
Der als Pater A. identifizierte Erzieher ist der erste Geistliche, der wegen physischer und sexueller Misshandlung von Jugendlichen vor Gericht gestellt wurde. 39 ehemalige Zöglinge hatten ihn belastet. 24 Fälle waren dann so weit belegt, dass eine Anklage darauf aufgebaut werden konnte. Pater A. war Erzieher im Stiftsgymnasium in Kremsmünster, von 1970 bis 1996 sogar Internatsleiter. Zwei weitere belastete Patres sind gestorben.
Aufmüpfige Schüler können sich noch gut an die „Stereowatschen“ erinnern: beidseitige kräftige Ohrfeigen. Traumatisiert wurden aber auch jene, die in der Gunst des Paters standen. Sie bestellte er abends in sein Schlafzimmer, wo, so ein Opferanwalt, „Oral- und Analverkehr und Masturbation“ auf dem Programm standen.
Der Angeklagte zeigte sich teilweise geständig und verlas im Gerichtssaal eine Erklärung, in der er das Vorgefallene bedauerte. Sein Verteidiger bestritt nicht, dass „abscheuliche Taten“ passiert seien. Doch „nüchtern und rein rechtlich gesehen“ müsse der Schöffensenat auf Freispruch erkennen, da die Taten Jahrzehnte zurücklägen und damit verjährt seien.
Opfer leiden immer noch unter den Spätfolgen
Richter Wolf-Dieter Graf schloss sich der Meinung nicht an. Schließlich litten die Opfer noch heute unter den Spätfolgen der über 20 Jahre, nämlich zwischen 1973 und 1993 begangenen Verbrechen: „Die Dauer der Taten und die Gleichgültigkeit des Angeklagten übersteigt für uns alles Dagewesene.“
Richter und Schöffen ließen sich auch nicht durch die Gebrechlichkeit des Angeklagten milde stimmen. Auch dass der Mann den Beruf des Erziehers gewählt hatte, obwohl er sich seiner pädophilen Neigungen bewusst war, sprach gegen ihn. Der Strafrahmen wurde daher aus Gründen der Abschreckung weitgehend ausgeschöpft.
Das Stift Kremsmünster übernahm die moralische Verantwortung für die Misshandlungen und leistete bereits vor dem Prozess bei den Opfern mit 700.000 Euro tätige Reue. Gleich nach dem Urteilsspruch kündigte der Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin