Missbilligung von Schulsenatorin: Koalition steht hinter Busse
Missbilligungsantrag der CDU gegen Bildungssenatorin Busse (SPD) scheitert im Parlament. Weniger Unterricht für Busse keine Option gegen Lehrermangel.
Die Senatorin kontert damit eine aufkommende Debatte, wie man dem sich weiter verschärfenden Lehrkräftemangel begegnen könnte. Busse selbst will nämlich lieber bei den Förder- und Profilstunden der Schulen sparen.
Doch viele Expert*innen widersprechen dieser Idee inzwischen. Die Gewerkschaft GEW fordert ein Umdenken bei Leistungsanforderungen und Lerninhalten. Auch über Kürzungen bei regulären Unterrichtsstunden müsse man „nachdenken“, statt pauschal bei den Förderstunden zu kürzen. Allerdings: „Wenn es weniger Unterricht gibt, können am Ende nicht dieselben Leistungen abgefragt werden“, sagte der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann.
Im Kern geht es um die Frage: Wie macht man aus einem Zuwenig an Lehrkräften trotzdem sinnvoll Schule? Durch die Aufrechterhaltung des Stundenplans um jeden Preis jedenfalls nicht, hatte auch der Neuköllner Linken-Politiker Philipp Dehne in einem Meinungsbetrag in der taz geschrieben. Er plädiert für weniger, aber dafür personell gesicherte Pflichtstunden – anstatt beim Förderunterricht zu kürzen. Schließlich bringe es ja nichts, wenn ein Kind zwar Mathe hat, aber nichts versteht.
Auch in der rot-grün-roten Koalition äußern sich die bildungspolitischen Sprecher*innen inzwischen offen für ein Antasten des Pflichtunterrichts: Das dürfe keine „heilige Kuh“ sein, hatte etwa die Linken-Abgeordente Franziska Brychy dem Tagesspiegel gesagt. In der AG Bildung der SPD findet die Idee nach taz-Informationen ebenfalls Anklang.
Auch Sport ist wichtig
Der Landeselternausschuss hingegen äußerte sich auf Anfrage am Donnerstag eher verhalten. „Kürzungen bei Mathe und Deutsch sind sicher ein No Go, da braucht es eher ein Plus als ein Minus“, sagte Landeselternsprecher Norman Heise. Aber auch Sportunterricht sei gerade nach der Pandemie wichtig, so Heise, „und so lassen sich wohl für jedes Fach gute Argumente finden“.
Aus Heises Sicht ist der Ansatz der Bildungsverwaltung gar nicht so schlecht: „Die Schulen sind in ihrer Eigenverantwortung gefragt, und ich bin sicher, sie werden zu Ergebnissen kommen.“ Auch, dass unterdurchschnittlich ausgestattete Schulen in schwierigen Kiezen bei Einstellungsrunden in Zukunft bevorzugt werden sollen sei nicht verkehrt.
Ein bisschen Zuspruch kann die Senatorin derzeit gut gebrauchen. Für Busse sind es schwierige Wochen. Nicht nur die Lehrer*innen fehlen, auch die Schulplätze: Hunderte Sechstklässler*innen konnte in den zu Wochenbeginn verschickten Bescheiden für die weiterführende Schule nach den Sommerferien noch keine konkrete Schule genannt werden – weil es schlicht keine Schulplätze mehr gibt. Ein Novum.
Auch Diskriminierungsvorwürfe gegen Busse reißen nicht ab. Als langjährige Schulleiterin einer Neuköllner Brennpunktschule hatte sie sich in der Vergangenheit kritisch über zugewanderte Familien geäußert („Wir sind arabisiert“). Busse hat ihre Formulierungen von damals inzwischen bedauert, sich aber nicht klar inhaltlich distanziert.
„Unserer Meinung [nach] hat sie starke Vorurteile gegenüber der arabischen Community. Es wurde von ihr oft abschätzig von den arabischen Eltern und Kindern gesprochen“, twitterte Gökhan Akgün, Personalrat der GEW in Friedrichshain-Kreuzberg und gut vernetzt in der migrantischen Community am Mittwoch. Das sei die Einschätzung, die ihn wiederholt von den Eltern und auch aus dem Kollegium von Busses ehemaliger Schule erreichten, sagte er der taz.
Am Donnerstag forderte die CDU schließlich das Parlament auf, die Amtsführung der Senatorin offiziell zu missbilligen. Busse habe „bei den Herausforderungen der Schulpolitik völlig versagt“, hieß es in der Beschlussempfehlung. „Was Ihnen fehlt ist Verantwortungsbewusstsein, Engagement und eine Vision“, legte Katharina Günther Wünsch, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion nach.
Wie erwartet wollte die Koalition ihre Schulsenatorin aber so schnell und noch früh in der Legislatur nicht in Frage gestellt sehen: Torsten Schneider (SPD) lobte seine Parteigenossin als „Frau, die sich reinhängt“ – schließlich sei es ihr nicht vorzuwerfen, dass sie den Lehrer*innenmangel klar benenne. Selbst für die die oppositionelle FDP, die sich enthielt, sagte ihr bildungspolitischer Sprecher Paul Fresdorf in Richtung CDU: „Sie haben das scharfe Schwert der Missbilligung viel zu früh gezogen.“
Der Missbilligungsantrag wird am Ende mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Busse selbst hörte der Debatte zu, ohne das Wort zu ergreifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader