Miss-Wahl in Argentinien verboten: Gemeindesinn statt Brust und Po
Eine argentinische Kleinstadt schafft ihren traditionellen Schönheitswettbewerb ab. Denn das Wahl-Prozedere sei „diskriminierend und gewalttätig“.
BUENOS AIRES taz | „Die Schönheit ist keine objektivierbare Tatsache. Deshalb ist ihre Bewertung und das Organisieren eines Wettbewerbes eine diskriminierende und gewalttätige Situation.“ Der Satz kommt nicht aus einem feministischen Magazin, sondern aus der Erklärung des Stadtrates von Chivilcoy, einer Kleinstadt mit 59.000 EinwohnerInnen in der argentinischen Provinz Buenos Aires. Einstimmig bei fünf Enthaltungen beschloss der Stadtrat vor wenigen Tagen, dass in der Stadt keine Schönheitswettbewerbe mehr durchgeführt werden.
Dabei richtet sich der Beschluss keineswegs nur gegen privatkommerzielle Veranstaltungen dieser Art. Betroffen ist in erster Linie der stadteigene Wettbewerb, bei dem alljährlich zum Gründungstag die vermeintlich Schönste der Stadt gewählt wurde. Ab sofort sollen stattdessen Personen zwischen 15 und 30 Jahren ausgezeichnet werden, die sich für eine Verbesserung der Lebensqualität der Stadtgemeinschaft einsetzen.
Zum ersten Mal stellt sich damit eine Gemeinde in Argentinien offiziell gegen die Durchführung von Schönheitswettbewerben. Das ist neu, und es provoziert, denn solche Wettbewerbe sind vielerorts gang und gebe. Jeder Ort, jeder Anlass hat seine Königin. Die Bandbreite reicht dabei von der Meereskönigin von Mar del Plata bis zur Ziegenbockkönigin in Malargüe.
Einer der Höhepunkte der alljährlichen Beschauungen ist die Wahl der Königin der Weinlese in der Provinz Mendoza. An diesem Wettbewerb nehmen jedes Jahr zwischen 15 und 20 junge Frauen teil, die sich in den Ausscheidungswettbewerben in ihren Provinzbezirken durchgesetzt haben.
Königin schwanger - Titel aberkannt
Und gerade bei diesem renommierten Wettbewerb war es kürzlich zum Eklat gekommen, als es der 2013 zur Königin des Bezirks Campo Los Andes gewählten 18-jährigen Yamila Estefanía Escudero verweigert wurde, die Insignien an ihre für 2014 auserkorenen Nachfolgerin Yamila zu übergeben.
Der Grund? Yamila wurde währenddessen schwanger und verstieß damit nach Auffassung der Veranstalter gegen das Reglement. Die junge Frau zog vor Gericht und bekam eine Entschädigungssumme und eine öffentliche Entschuldigung für den moralischen Schaden und wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen zugesprochen.
Unsägliche Verzichtserklärung
Junge Frauen wie Yamila sind jedoch die Ausnahme. Die meistens akzeptieren die teils haarsträubenden Bedingungen, die sich in den Teilnahmeklauseln verbergen. Darin verpflichten sie sich, im Fall der einjährigen Regentschaft nicht nur ständig für die Repräsentation zur Verfügung zu stehen. Mitunter unterschreiben sie auch, auf Liebesbeziehungen zu verzichten – oder verpflichten sich eben, nicht schwanger zu werden.
Nach der Entscheidung von Chivilcoy hat die Debatte neue Nahrung bekommen. Vergangenen Monat versuchte eine Vertreterin der staatlichen Behörde gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit INADI ein Verbot von Schönheitswettbewerben an den Schulen in der nördlichen Provinz Misiones anzuregen. Die Wettbewerbe führten regelmäßig zu Aggressionsausbrüchen unter den Jugendlichen, außerdem förderten sie Krankheiten wie Bulimie, argumentierte die Behörde.
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