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„Mir hann halt kenn Glick“

■ Play-Off-Viertelfinale um die Deutsche Handball-Meisterschaft: Niederwürzbach unterliegt Gummersbach trotz zweimaliger Verlängerung unglücklich mit 15:16

Erbach (taz) - „Glücklich“ sei er, so Gummersbachs Trainer Heiner Brand, nach dem Play-Off-Drama von Homburg-Erbach, daß seine Mannschaft „bei dem stärksten Heimteam der Bundsliga mit dem fanatischsten Publikum“ gewonnen habe. Seinem Pendant vom TV Niederwürzbach, Petre Ivanescu, stand hingegen der Schweiß der zwei Stunden noch auf der Stirn. Erst nach 77 Minuten mußten sich seine Aufsteiger dem VfL Gummersbach endgültig beugen.

Dabei wechselten sich die Mannschaften während der gesamten Spielzeit so schön im Torewerfen ab: Nach vier Minuten sahen die 3.000 Zuschauer das erste Tor. Michael Lehnerts brachte Gummersbach in Führung, dann ging es artig hin und her, zur Halbzeit stand es 7:6 für den TVN.

Bei den Saarländern, die auf Jürgen Hartz, Roland Piller und ab der 47. Minute noch auf Rottäter Roland Jann verzichten mußten, lief jedoch in den entscheidenden Phasen wenig zusammen. Beim Stand von 6:4 verpaßten sie zum ersten Mal die Gelegenheit, ihren Vorsprung auszubauen. Ebenso fünf Minuten nach der Pause, als ein dusseliger Ballverlust Erland einen Gegenzug zum 8:7 ermöglichte.

Der VfL wirkte psychisch stärker - kein Wunder, angesichts einer 1:0- Führung aus dem Hinspiel. Hinzu kamen hinterhältige Psychotricks wie der des provozierend lässigen und aufmüpfigen Andreas Thiel, der Sekunden vor der Halbzeitsirene mal eben seinen Vertreter Thomas Heil ranließ, der den sieben Meter werfenden Roland Jann prompt erfolgreich irritierte.

Thiel war es auch, der seinen Klub ausgerechnet am „Tag der Arbeit“ ein drittes Spiel ersparte. Zwei Minuten vor Schluß wehrte er beim Stand von 11:11 einen Strafwurf des Niederwürzbacher Nationalspielers Markus Hochhaus ab.

Das bedeutete Verlängerung. Sehr zum Schaden des TVN, der richtig müde wurde und den VfL zum 11:13 fortziehen lassen mußte. Oder war das nur eine List? Denn die Gummersbacher wurden leichtsinnig, was Mathias Schmitt und Reiner Bauert sogleich zum 13:13 Ausgleich nutzten. 13:13, zweite Verlängerung. Fast schien es, als hätten die Marathon -Handballer eine Zeitwette mit den in Stuttgart kickenden Fußballkollegen abgeschlossen. Die Uhr stand schon auf 21.52. Offenbar Schlafenszeit

In Niederwürzbach, dessen Spielern die Power nun völlig ausging. Die Gummersbacher war noch etwas wacher und warfen noch zwei Tore zum 16:14, eins schafften auch noch die Müden. Um 22.03 Uhr war klar, daß das Siebenmeterschießen ausfiel und der TV Niederwürzbach sein zweites von 14 Heimspielen verloren hatte. Sein wichtigstes dummerweise.

„Wir Saarländer hann halt kenn Glick“, lamentierte ein Kollege von der Lokalpresse. Enttäuscht waren auch die Spieler. Petre Ivanescu tröstete sie: „Teuer verkauft“ haben sie sich und stolz sei er, „mit dem Aufsteiger so weit gekommen“ zu sein. So mancher aber wird sich ordentlich geärgert haben, daß man nach der langen Spielrunde nicht achter geworden war. Dann nämlich hätte der Ply-Off-Gegner TUSEM Essen geheißen...

Günter Rohrbacher-List

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