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Mini-Reform bei LeiharbeitKein Dumping à la Schlecker

Arbeitnehmer dürfen nicht mehr entlassen und als Leiharbeiter wieder eingestellt werden. Die Nachbesserungen am Gesetz betreffen aber nicht Lohndumping im großen Stil.

Neuigkeiten für Schlecker: Missbrauch von Arbeitskraft nach dem Modell der Drogerie-Kette soll es nicht mehr geben. Bild: ap

BERLIN taz | Aus dem Betrieb geworfen und als Leiharbeiter zu schlechteren Bedingungen postwendend wieder eingestellt. Diese Form des Missbrauchs von Leiharbeit soll nach dem Willen der Regierung künftig nicht mehr möglich sein.

Das Kabinett billigte dazu am Mittwoch einen Gesetzentwurf, den Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegt hatte. "Wir wollen keine Drehtürmodelle, bei denen Stammbelegschaften systematisch durch Leiharbeiter ersetzt werden", kommentierte von der Leyen das Gesetz. Die Ministerin lobte die Leiharbeit gleichzeitig als "Brücke in die Beschäftigung".

Die Nachbesserung am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), das die Leiharbeit regelt, kam durch die causa Schlecker ins Rollen. Die Drogeriemarktkette entließ Anfang des Jahres reihenweise Mitarbeiter, um sie über ein mit Schlecker verbändeltes Leiharbeitsunternehmen zu deutlich schlechteren Konditionen wieder einzustellen. Dieser Praxis schiebt das Gesetz einen Riegel vor. Leiharbeiter, die in den sechs Monaten zuvor im gleichen Betrieb noch als "normale" Arbeitnehmer beschäftigt waren, haben demnach Anspruch auf die gleichen tariflichen Regelungen wie die Stammbelegschaft.

An der Reform des AÜG hagelte es von seiten der Opposition und der Gewerkschaften Kritik. "Der Gesetzentwurf ist ein Armutszeugnis und bei weitem nicht ausreichend. Frau von der Leyen will Leiharbeiter nicht benachteiligen. Das funktioniert aber nur, wenn die Beschäftigten ohne Ausnahmen den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten", kommentierte Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen, das Gesetz. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), sprach von einer "großen Enttäuschung". Die Verhinderung des Missbrauchs beschränke sich auf den Sonderfall Schlecker.

Die Kritik entzündet sich daran, dass es nach wie vor möglich sein soll, Leiharbeitern weniger Lohn als der Stammbelegschaft zu zahlen. Vom Gebot "equal pay", das heisst, dem Bezahlen gleicher Löhne, kann weiterhin immer dann abgewichen werden, wenn ein anderslautender Tarifvertrag vorliegt. Genau da ist derzeit gängige Praxis. "Der große Mißbrauch in der Leiharbeit findet über das massenhafte Lohndumping statt", erklärte Johannes Jakob, Arbeitsmarktexperte des DGB.

Mit der Reform des Gesetzes will die Regierung auch die Leiharbeitsrichtlinie der EU umsetzen. Dazu gehört auch, dass Leiharbeiter künftig über freie Stellen in den Betrieben, in denen sie eingesetzt werden, informiert werden müssen. Auch sollen sie Anspruch auf die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen oder Beförderungsmittel eines Unternehmens erhalten.

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4 Kommentare

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  • M
    Mario

    @Martin

    Dass der DGB nicht ohne Fehler ist, wissen viele taz-Leser, aber echte Dumpingtarifverträge gibt es vom DGB nicht. Meiner Meinung nach ist der DGB aber zu lahm gewesen, als die SPD die Agenda 2010 gemacht hat. Da würde ich Dir zustimmen.

    Letztlich gehört diese ganze Branche voll durchreguliert, denn ohne Gesetz passiert nichts. Das ist wohl klar und Schlecker gehört eigentlich auch verboten, eine Ladenkette, die ihren Filialen nicht mal einen Telefonanschluß gönnen wollte, ist eher der perversen Seite der Wirtschaft zuzurechnen. Aber wer kauft bei denen?

    Ich schon lange nicht mehr.

  • M
    Moritz

    diese scheinheiligen, abgehobenen, weltfremden politiker in berlin sollten endlich abdanken und das unterdrückte volk mal den bundestag stürmen. vielleicht wacht dann mal einer der damen und herren auf.

  • M
    Martin

    Der DGB soll mal ganz still sein, wer hat den einen Teil dieser Dumping Tarifverträge unterschrìeben? Kein Tarifvertrag bedeutet automatisch gleiches Geld. Heuchlerbande.

  • A
    arribert

    Es sollten einfach mal alle Leiharbeiter einen Tag zuhause bleiben. Dann würde man sehen, wieviele es tatsächlich sind.