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Mini-Mini-Jobs für Flüchtlinge in Bremen.Keine 80 Cent für Geflüchtete

860 Asylbewerber sollten 80-Cent-Jobs zugewiesen bekommen. Das Sozialressort hat versäumt, vorhandene Plätze zu besetzen.

Gibt es schon ab 0,79 Euro: Für eine Stunde Arbeit kriegt ein Flüchtling 100 Gramm Geflügel in Aspik Foto: Promo

BREMEN taz | Es gibt noch keinen 80-Cent-Job für Geflüchtete mit laufendem Asylverfahren in Bremen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte im Sommer gefordert, dass 100.000 Geflüchtete ähnlich wie Ein-Euro-Jobber in Arbeit gebracht werden sollten und dafür ein Programm geschaffen, das seit August 2016 läuft. 860 dieser „Stellen“ waren für Bremen geplant. Tatsächlich gibt es jedoch noch keinen einzigen besetzten Platz. Das bestätigte das Sozialressort der taz.

Zwar gibt es laut Arbeitsagentur in Bremen bereits 41 mit Bundesmitteln bewilligte Plätze für die sogenannten „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“. Diese sind laut Maßnahmenträgern bislang jedoch unbesetzt, weil das Sozialressort von Anja Stahmann (Grüne) es bislang versäumt habe, Geflüchteten Plätze zuzuweisen. Ihr Sprecher, Bernd Schneider, sagt: „Die Verzögerung haben wir selbst zu verantworten.“ Das Ressort sei nun bemüht, die Stellen möglichst schnell zu besetzen.

Die Plätze sollten geschaffen werden, um den frühestmöglichen Spracherwerb zu fördern und „Einblicke in das gesellschaftliche Leben zu erhalten“, wie es in der Maßnahmenbeschreibung der Bundesagentur für Arbeit heißt. Der Bund finanziert die „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ zur Entlastung der Länder und Kommunen. Schaffen müssen diese die Plätze allerdings selbst. Laufen soll das Programm bis zum 31. Dezember 2020.

In Bremen sollten insgesamt 860 Tätigkeiten für Flüchtlinge entstehen. 215 dieser „Stellen“ sollten „intern“ in Flüchtlingsunterkünften entstehen. Der Großteil, 645 Plätze, sollte „extern“ sein. Das heißt: Die Geflüchteten sollten mit Stellen bei Beschäftigungsträgern, die ansonsten Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose vermitteln, „einen Einblick in das gesellschaftliche Leben erhalten“.

Einer dieser Träger ist bras e. V. Dessen Geschäftsführer Uwe Mühlmeyer sagt zu den unbesetzten Plätzen: „Es ist desaströs. Bremen kommt nicht in die Pötte.“ Die Plätze sind unbesetzt. Dem Sozialressort fehle es an einem Plan, sagt Mühlmeyer, „Es gibt kein Zuweisungsverfahren.“

Auch Peter Härtl von Vadib, einer Dachorganisation von Maßnahmenträgern, kritisiert das Ressort: „Insgesamt sind fast 50 Plätze genehmigt – nach meiner Kenntnis ist keiner besetzt.“ Härtl sagt: „Dass man fünf Monate braucht, um überhaupt nur eine Person einzuspeisen, macht wütend.“ Dabei seien die Träger eigens von der Senatorin für Soziales aufgerufen worden, externe Plätze für Flüchtlinge zu schaffen, sagt Härtl. „Das haben sie auch gemacht. Die Bewilligungsbescheide liegen vor.“

Das Sozialressort ist unterdessen um eine schnelle Umsetzung bemüht: „Wir können im Januar die ersten Zuweisungen machen“, sagt Schneider. Und: „Das hätte man schon früher machen können.“

Das hätte man schon früher machen können

Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts

Das Ressort hatte die Träger im Sommer selbst zu einer Informationsveranstaltung zu den geplanten Maßnahmen eingeladen und dort das Konzept vorgestellt. Die Träger sollten daraufhin Plätze für Geflüchtete mit laufendem Asylverfahren schaffen, die das Ressort wiederum bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen sollte. Das ist tatsächlich auch geschehen, wie die Arbeitsagentur bestätigt. Danach gibt es derzeit bewilligte 48 Plätze, mit Beginn des Jahres wurden 41 weitere beantragt.

Vor der Bewilligung der Plätze prüft die Bundesagentur für Arbeit, ob die Stelle das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ erfüllt. Ein Verwaltungsausschuss, in dem auch Vertreter der Handelskammern sitzen, prüft dabei, ob die Maßnahme keine bestehenden Jobs gefährdet oder „ökonomischen Schaden“ anrichtet, wie Jörg Nowag, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit, sagt. Außerdem soll die Tätigkeit einen gesellschaftlichen Nutzen haben.

Wie hoch der Nutzen für TeilnehmerInnen und Gesellschaft bei Maßnahmen wie 80-Cent- oder Ein-Euro-Jobs tatsächlich ist, darüber kann man streiten: Der Bremer Flüchtlingsrat etwa kritisiert sie als „neue Felder für Niedriglohnbeschäftigung ohne Sozialversicherungspflicht“. Marc Millies, Sprecher des Flüchtlingsrates, sagt: „Stattdessen müsste man den echten Arbeitsmarktzugang erleichtern.“ Für Spracherwerb bräuchte es zudem mehr Deutschkurse und nicht „Arbeitsgelegenheiten, bei denen man auch ein bisschen Sprache erprobt“. Uwe Mühlmeyer vom Träger bras e. V. sagt: „Ein echter Job hat natürlich Vorrang. Aber es ist besser als in der Luft zu hängen.“

Dass es nur 80 Cent für die Arbeitsgelegenheiten gibt, kritisieren beide. Mühlmeyer sagt: „Das ist bundesweit festgelegt. Das ganze Programm bedient Strömungen von rechts. Nach dem Motto: Die Leute sollen was tun, wenn sie schon hier sind.“ Dennoch ist er davon überzeugt, dass die 80-Cent-Jobs für einige Personen sinnvoll sind. Wenn sie die Stellen denn antreten könnten.

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1 Kommentar

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  • Ich lese, der Sprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider, sagt: „Die Verzögerung haben wir selbst zu verantworten.“ Wer aber ist "wir" im Sozialressort, Etat eine Milliarde € jährlich? Frau Meierdirks*, die zuständige Abteilungsleiterin? Frau Senatorin Anja Stahmann? Letzten Endes sie. Natürlich! Bekommt Frau Meierdirks für ihr Versagen eine Abmahnung? Tritt Frau Senatorin Stahmann zurück? Nichts davon. Schwamm drüber. Keine Selbstkritik. Nicht einmal Besserung wird gelobt.

    Dann allerdings lese ich: "Das Sozialressort ist unterdessen um eine schnelle Umsetzung bemüht: „Wir können im Januar die ersten Zuweisungen machen“, sagt Schneider. Und: „Das hätte man schon früher machen können.“

    Ist das die Selbstkritik, die ich meine und die hier angebracht wäre? Pustekuchen. Das Gegenteil davon! Reine Rhetorik. In allen Ressorts, Bildung übrigens vorneweg: Läuft etwas schief, tut man zunächst so, als sei gar nichts gewesen. Wird es ruchbar, kommen Ausreden und Rechtfertigungen. Extra dafür hat (nun auch) Bremen Pressesprecher. Kommt es zu dicke, trägt er Selbstkritik vor, die aber nur zur Folge hat, dass sich damit jegliche Kritik von Betroffenen oder Kritikern erübrigt. Man nimmt ihnen den Wind aus den Segeln. Das war das Ziel.

    Ich finde das verantwortungslos. Wie kam es dazu? Ich weiß es nicht. Ich erlebe nur: Der Senat und die Verantwortlichen des Öffentlichen Dienstes in Bremen nehmen Bürger, Betroffene und Kritiker immer weniger ernst. Man spielt Arbeit und Verantwortung. Das kann man sich erlauben, man kennt sich seit Jahrenden und tut sich gegenseitig nicht wirklich weh. Verantwortung wird nur noch inszeniert. Protestantisches Arbeitsethos? Wenn überhaupt noch, dann eher bei denen da unten als bei denen da oben.

    Martin Korol, z.Zt. Wien