Mini-Kameras auf Polizeischultern: Die Angst vor Äppelwoi
Seit Montag schlappen Polizisten mit Miniatur-Überwachungskameras auf der Schulter durch Frankfurter Gassen. Die „laufende“ Videoüberwachung.
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Alt-Sachsenhausen in Frankfurt ist ein Ort zum Fremdschämen. Bierselige Gruppen belagern Ballermann-Kneipen, deren Musik einzig dem Anspruch genügt, dass sie auch im Suff mitgegrölt werden kann. In den Bars der Rittergasse quetschen sich die Bedienungen in leuchtfarbene Hotpants und weiße Hemdchen.
Man möchte die japanischen Touristen, die sich auf der Suche nach Gemütlichkeit und Äppelwoi dorthin verirren, an die Hand nehmen und ihnen ein anderes Frankfurt zeigen. Was sollen sie bloß denken?
Jetzt geht es sogar noch skurriler: Seit Montag strawanzen Polizisten mit Miniatur-Überwachungskameras auf der Schulter durch die Gassen. Und damit auch jeder sieht, dass er sich besser nicht mit den Herren in Uniform anlegt, steht auch noch fett „Videoüberwachung“ auf deren Weste. Hinten und vorne.
Der Innenminister Boris Rhein (CDU) begründete das Pilotprojekt „Bodycam“ am Montag mit der steigenden Aggressivität gegenüber Polizisten. Allein in diesem Jahr habe die Polizei 18 Fälle von Widerstand gegen Beamte gezählt, am Pfingstwochenende hätten 30 Kneipengäste eine Streife mit Gläsern und Flaschen beworfen.
Ach wie gut, dass es Überwachungskameras gibt. In Alt-Sachsenhausen sogar an Häusern, auf Polizistenschultern und womöglich bald auch auf Streifenwagen. Denn wer könnte schon all die Probleme von Alt-Sachsenhausen lösen und den Charme der Äppelwoi-Gemütlichkeit verteidigen?
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