Mindestlohn: Ein Gesetz für 7,50 Euro
Das Abgeordnetenhaus beschließt neue Kriterien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Die Grünen kritisieren, dass der Umweltschutz zu kurz kommt.
Ob Wachmänner, Briefträger oder Reinigungskräfte - sie alle werden in Zukunft mindestens 7,50 Euro pro Stunde verdienen. Vorausgesetzt, sie arbeiten im Auftrag des Senats, der Bezirke oder eines landeseigenen Unternehmens. So hat es das Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend beschlossen. Das neue Vergabegesetz sieht vor, dass nur noch jene Firmen den Zuschlag für öffentliche Aufträge bekommen, die soziale und ökologische Bedingungen erfüllen, etwa den Mindestlohn.
"Wir wollen, dass Unternehmen mit Dumpinglöhnen bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr zum Zuge kommen", sagte Frank Jahnke, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, am Freitag der taz. Das Land ist ein wichtiger Auftraggeber: Rund 5 Milliarden Euro gibt die öffentliche Hand in Berlin jährlich aus, sei es im Straßenbau, bei der Gebäudereinigung oder der Beschaffung neuer Polizeiuniformen.
Bereits vor zwei Jahren versuchte sich der Senat an einem Vergabegesetz mit Mindestlöhnen. Doch damals brachte der Europäische Gerichtshof ein vergleichbares Gesetz in Niedersachsen zu Fall. Seitdem wurde an einem neuen, gerichtsfesten Gesetzestext gebastelt. Anders als 2008 seien nun keine regionalen Tarife vorgesehen, welche die EU als diskriminierend für ausländische Anbieter werten könnte, erläuterte Jahnke.
Der Senat hält sich mit dem nun verabschiedeten Gesetz offen, den Mindestlohn in Zukunft noch zu erhöhen. Auch andere Standards wie die der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wurden festgeschrieben: Sie schließen etwa den Einkauf von Produkten aus, die Kinder gefertigt haben. Die bietenden Unternehmen müssen zudem wie bisher eine Erklärung zur Frauenförderung abgeben.
Um festzustellen, ob die Vorgaben auch eingehalten werden, soll der Senat eine Kontrollgruppe einrichten. Bei Verstößen müssen die Unternehmen mit Geldstrafen bis hin zu einer fristlosen Kündigung rechnen.
Ein Paragraf des Gesetzes ist auch der "umweltverträglichen Beschaffung" gewidmet. Die Auftraggeber sind demnach verpflichtet, ökologische Kriterien zu berücksichtigen und negative Umweltauswirkungen möglichst zu vermeiden. Genauere Vorschriften sieht das Gesetz kaum vor: Die auszuformulieren bleibt dem Senat überlassen.
Die Grünen kritisieren, dass der Umweltschutz im Gesetz zu kurz kommt. "Die ökologischen Kriterien werden stiefmütterlich behandelt", sagte Felicitas Kubala. Ihrer Meinung nach hätte man etwa Gütesiegel für Umweltfreundlichkeit wie den Blauen Engel zur Bedingung für einen Auftrag machen sollen. "Stattdessen wird das auf die Zukunft verschoben."
Kritik kommt auch von anderer Seite: Die Industrie- und Handelskammer Berlin lehnt das Gesetz ab. "Die künftig zu beachtenden ökologischen und sozialen Kriterien überfordern insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen", bemängelte der Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Der "immense bürokratische Aufwand" werde viele kleinere Betriebe davon abhalten, sich überhaupt an den Ausschreibungen des Landes zu beteiligen.
FELICITAS KUBALA, GRÜNE
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