Mindestlohn für die Post: "Kleine Unternehmen werden aufgeben"
Der Mindestlohn wird vor allem die Postfirmen im Osten treffen, sagt Postexperte Elmar Müller.
taz: Herr Müller, angeblich sind 20.000 Stellen durch den Mindestlohn in der Postbranche gefährdet. Sehen Sie das auch so?
Elmar Müller: Es werden eine Reihe von Unternehmen vom Markt verschwinden.
Die PIN Group will 1.000 Mitarbeiter entlassen. Werden die beiden großen Postkonkurrenten PIN und TNT ganz verschwinden?
Nein, einer von beiden wird sicher am Markt verbleiben - nach einer Art Fusion.
Einen Zusammenschluss haben TNT und PIN aber ausgeschlossen.
Es gibt doch kein Unternehmen auf, ohne vorher zu versuchen, Teile der Firma zu verkaufen.
Wenn Sie prognostizieren, dass immerhin ein großer Postkonkurrent überleben wird, dann klingen Sie ja gar nicht so pessimistisch.
Doch. Vor allem im Osten werden viele kleine Unternehmen aufgeben müssen. Sie können einen Stundenlohn von acht Euro nicht bezahlen.
Warum eigentlich nicht?
Unser Verband hat es untersucht: Ein Briefträger der Post kann bis zu 160 Haushalte pro Stunde beliefern. Ein privater Zusteller kommt auf maximal 20. Denn die Post hat einen Marktanteil von 90 Prozent - und damit viel kürzere Wege.
Aber das klingt eher wie der Beweis dafür, dass es volkswirtschaftlich sehr ineffizient ist, bundesweit mehrere Postdienste zu betreiben.
Drei oder vier Netze wären tatsächlich nicht sinnvoll. Aber ein zweites wird gebraucht.
Wieso?
Die Post hat den Inlandsmarkt völlig vernachlässigt. Sie hat Filialen geschlossen und technische Innovationen wie die Sendeverfolgung für Briefe nicht umgesetzt. Die Post braucht Konkurrenz.
Wäre das nicht nur ein Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Mitarbeiter? Die Umsätze in der Postbranche stagnieren seit Jahren.
Aber es gibt ein Wachstumspotenzial. In den Niederlanden oder England werden pro Kopf 50 Prozent mehr Briefe verschickt.
Der Mindestlohn ist beschlossen - was schlagen Sie nun vor?
Meine Lösung habe ich gestern an die Regierung weitergegeben: Bisher ist die Post von der Mehrwertsteuer befreit, aber ihre privaten Konkurrenten nicht. Diese Ungleichbehandlung muss aufhören.
Die Post argumentiert, dass sie höhere Kosten hat, weil sie auch Halligen beliefern muss.
Dahinter verbirgt sich ein anderer Zusammenhang: 30 Prozent der Postaktien besitzt der Bund, der seinen eigenen Betrieb schützen will. Der Eigentümer versucht, den Wettbewerb zu regeln! Der Bund muss seine Postaktien verkaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen