piwik no script img

Mindestalter für Ehen in IndienHeiraten ab 21 Jahren?

Die hindunationalistische Regierung will für junge Frauen das Heiratsmindestalter anheben. Doch nicht alle finden das hilfreich.

Indische Frauen feiern das Lichterfest Diwali im November 2021 Foto: XinHua/dpa

Mumbai taz | Heiraten war in Indien schon immer ein sensibles Thema. Dabei ist es gleich, ob es sich um eine Liebesheirat oder arrangierte Ehe handelt. Mitten in der Hochzeitssaison, den kühleren Monaten, in denen weniger Arbeit auf den Feldern wartet, ist eine Debatte entbrannt: Soll das gesetzliche Mindestalter zur Eheschließung für Inderinnen von 18 auf 21 Jahre angehoben werden?

Der Vorschlag kam von der regierenden hindunationalistischen Volkspartei BJP. „Wir versuchen, das Heiratsalter für Mädchen auf 21 Jahre anzuheben, damit sie Zeit haben, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das Land trifft diese Entscheidung für seine Töchter“, sagte Premier Narendra Modi (BJP).

Jeder sehe, wer damit Probleme habe, „für einige hat dies Schmerzen verursacht“, fügte Modi hinzu. Verstanden werden solche Aussagen von manchen als Anspielungen auf Kinderehen in der muslimischen Minderheit, die aber unter Hindus verbreiteter sind. Das Problem ist in ländlichen Regionen größer als in den Städten – inklusive früher Schwangerschaften.

Vorausgegangen ist dem Vorstoß eine Umfrage unter Studierenden, die einer Anhebung des Heiratsalters positiv gegenüber gestimmt sind. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Politikerin Jaya Jaitley (Samata-Partei) empfiehlt sie, um Frauen zu stärken. Eine Verzögerung der Heirat habe positive Auswirkungen.

„Nach der Heirat wird die Fortpflanzung erwartet“

Jaitley verweist auf die Benachteiligung von Mädchen, einen Abschluss zu machen, da die Hochzeit warte. „In dem Moment, in dem ein Mädchen verheiratet wird, egal ob sie 16, 18 oder sonst wie alt ist, wird von ihrem Körper erwartet, dass er sich fortpflanzt“, so Jaitley.

Von der Regierung wird die Verbesserung der Ernährung von Mädchen wie die Verringerung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit betont. Letztere liegt derzeit bei 35 Todesfällen pro 1.000 Kindern im Jahr. In westlichen Ländern wie Deutschland beträgt sie ein Zehntel davon.

Ein weiteres Ziel ist sicherlich auch, das Bevölkerungswachstum weiter abzuflachen. Das Thema hat Modi in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgegriffen. Zuletzt hatte Indien 1978 die Altersgrenze für Kinderehen erhört, die davor bei 16 Jahren für Mädchen und 18 für Männer lag. Das Alter jetzt erneut anzuheben lehnen Oppositionsparteien, religiöse Gruppen und Frauenorganisationen ab.

Die Mumbaier Anwältin Joanita Britto Menon befürchtet, dass sich die Rechtssicherheit für Mädchen verschlechtern könnte. Als Beispiel nennt sie die verbotene, aber in Indien weitverbreitete Tradition, dass Frauen eine Mitgift in die Ehe bringen müssen. Im Fall von Streitigkeiten sei es für die Familie einer Frau unter dem gesetzlichen Mindestalter unwahrscheinlicher, vor Gericht zu gehen, sagt sie der taz. Daher unterstützt sie eine Anhebung nicht.

Anwältin: Mindestalter kein Mittel gegen Kinderehen

Sie bezweifelt zudem, dass so die Zahl der Kinderehen zurückgehen werde, da so deren Ursachen wie Armut, Zugang zu Bildung und Beschäftigung nicht beseitigt würden.

Ein höheres Mindestalter für Frauen befürwortet dagegen die feministische bengalische Autorin und Ärztin Taslima Nasreen. „Ich hoffe, dass dies für alle Frauen gilt, unabhängig von ihrer religiösen Überzeugungen“, sagt sie. Wer zivilisiert sei, schütze die Rechte von Kindern, so Nasreen. Zudem würden zwei unterschiedliche Altersstufen das Klischee fördern, Frauen sollten jünger heiraten, sagen andere.

„Die Modi-Regierung hat beschlossen, das Heiratsalter für Frauen auf 21 Jahre anzuheben. Das ist die typische Bevormundung, die wir von der Regierung erwartet haben“, meint der Abgeordnete Asaduddin Owaisi (AIMIM). Er würde lieber das Heiratsalter für Männer von 21 auf 18 Jahre senken und damit angleichen. Er kritisiert, dass vom Etat zur Förderung von Mädchen jetzt eine hohe Summe für Werbung ausgegeben wurde, statt direkt für die Mädchen.

Bisher liegt das Gesetz noch nicht einmal als Entwurf vor. Ohnehin ist in Indien die Zahl der Kinderehen rückläufig. Trotzdem ist jede vierte Frau im Alter von 20 bis 24 Jahren bereits als Minderjährige verheiratet worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!