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Millionen Schwarzen droht Zwangsumsiedlung

Südafrikanischer Präsidentschaftsrat verabschiedet Gesetz zur Verhinderung illegaler Siedlungen / FarmarbeiterInnen und SlumbewohnerInnen von Obdachlosigkeit bedroht / Geräumte haben keinen Anspruch auf Entschädigung oder alternativen Wohnort  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Mehr als sieben Millionen schwarzen Südafrikanern droht die Zerstörung ihrer Wohnungen und die Zwangsumsiedlung, nachdem der Präsidentschaftsrat (PC) am Mittwoch eine Verschärfung des Gesetzes zur Verhinderung illegaler Siedlungen verabschiedet hat. Es wird erwartet, daß Präsident Botha das Gesetz noch vor Ende des Jahres mit seiner Unterschrift in Kraft setzen wird.

„Dieses Gesetz ist eine alternative Form der Zuzugskontrolle, legalisiert Zwangsumsiedlungen und gibt den Gerichten keine Eingriffsmöglicheit in diesen Prozeß“, sagte eine Sprecherin des „Nationalen Komitees gegen Zwangsumsiedelungen“ (NCAR) am Mittwoch in Johannesburg. Das System der Zuzugskontrollen, das Wohn- und Arbeitsort von Schwarzen kontrollierte und zu Millionen von Verhaftungen geführt hatte, war 1986 im Zuge der „Reformen der Apartheid“ abgeschafft worden.

Das neue Gesetz sieht eine automatische Räumung von „illegalen Siedlungen“ vor, ohne daß die Gerichte diese unterbinden können oder die Bewohner vorher informiert werden müssen. Ein illegaler Siedler ist dem Gesetz zufolge schuldig, wenn er seine Unschuld nicht beweisen kann. Eine Mißachtung des Gesetzes kann mit einer Geldstrafe von bis zu 10.000 Rand (etwa 7.000 Mark) geahndet werden. Der Abbruch einer Siedlung ist nur zu verhindern, wenn die Bewohner die „böse Absicht“ (male fides) der Behörden nachweisen können NCAR zufolge ist dies nahezu unmöglich. Auch der Eigentümer des besiedelten Landes kann die Räumung einer als illegal definierten Siedlung nicht verhindern. Die Anwendung des Gesetzes obliegt den Lokalbehörden. Land, das von illegalen Siedlern genutzt wird, kann von den Behörden ohne Entschädigung beschlagnahmt werden.

Das Gesetz bedroht vor allem die etwa 3,5 Millionen FarmarbeiterInnen in Südafrika. Dem Gesetz zufolge dürfen nur die Arbeiter selbst auf einer „weißen“ Farm leben. Angehörige und zurückgetretene Arbeiter gelten als illegale Siedler. Auch die zahlreichen Farmen, die nicht bewirtschaftet werden, dürfen von Schwarzen nicht genutzt werden. NCAR schätzt zudem, daß in städtischen Gebieten etwa fünf Millionen Menschen in sogenannten „informellen Siedlungen“ leben. Dazu gehören neben Slums auch Hütten in den Höfen von Township-Häusern, die aufgrund der akuten Wohnungsnot in schwarzen Wohngebieten in ganz Südafrika errichtet werden.

Die Räumung von „illegalen Siedlungen“ kann vorgenommen werden, ohne daß ein alternativer Wohnort zur Verfügung gestellt werden muß. Tausende von Menschen, die aus diesem Grund bisher erfolgreich vor Gericht gegen eine Umsiedlung geklagt hatten, haben nun keine Hoffnung mehr.

„Dies ist ein Versuch, die Armen aus den städtischen Gebieten abzuschütteln“, sagt Josie Adler von der Menschenrechtsgruppe „Black Sash“. Es sei „beschämend und unzivilisiert“, Menschen für ein Übertretung zu bestrafen, die sie aufgrund der akuten Wohnungsnot nicht vermeiden können.

Der PC hatte erst am Dienstag eine Verschärfung des Gesetzes zur Rassentrennung in Wohngebieten abgelehnt, weil die vorgesehen Strafen zu schwer seien. Ähnliche Bedenken brachte das Gremium auch gegen dieses Gesetz vor, verabschiedete es aber trotzdem. „Das ist ein durchsichtiger politischer Kuhhandel zwischen Rassentrennung in Wohngebieten und illegalen Siedlungen,“ sagt Adler. Damit nimmt die Regierung offenbar Rücksicht auf die Interessen städtischer, eher mittelständischer Schwarzer und internationale Kritik, während arme, ländliche Schwarze ohne Nachsicht behandelt werden.

Es wird befürchtet, daß vor allem Lokalverwaltungen, die von der ultrarechten „Konservativen Partei“ (CP) kontrolliert werden, das neue Gesetz rücksichtslos anwenden werden. Die CP hat in den letzten Wochen Apartheid-Trennung von öffentlichen Einrichtungen in weißen Städten, die sie seit den Kommunalwahlen im Oktober kontrolliert, trotz massiver Proteste wieder eingeführt.

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