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Millenniums-Konsumziele geplantDiät für die Fetten und Reichen

"Millenniumsziele" nur für Entwicklungsländer? Jetzt sollen Millenniums-Konsumziele dazukommen: weniger Energieverbrauch, weniger Arbeit, weniger Rüstung.

Unsere Konsumgewohnheiten auf den Kopf stellen – mit neuen Milleniumszielen. Bild: die_Miri / photocase.com

Es ist ein gewichtiges Problem: Weltweit leidet etwa jeder zehnte Mann und jede siebte Frau an starkem Übergewicht. Der Anteil der fettleibigen Menschen an der Weltbevölkerung hat sich seit 1980 verdoppelt. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie der Harvard School of Public Health, die gerade in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde. Übergewicht, Bluthochdruck und hohe Blutfettwerte seien globale Probleme, nicht nur der der wohlhabenden Länder.

Um solche globale Aufgaben zu lösen, sollte auf die Reichen und nicht nur auf die Armen der Welt geschaut werden, fordert jetzt ein Wissenschaftler und hochrangiger Regierungsberater der UN. Mohan Munasinghe, Mitglied des Klimarats IPCC und Professor für nachhaltige Entwicklung in Colombo und Manchester, fordert "Millenniums-Konsumziele", mit denen sich die Welt auf eine zukunftsfähige Entwicklung verpflichtet - analog zu den Millennium-Entwicklungszielen.

"Wir sollten uns auf die 1,4 Milliarden Menschen konzentrieren, die die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen", schreibt Munasinghe. "Sie verbrauchen 80 Prozent der globalen Produktion, das ist 60 Mal mehr als bei den ärmsten 20 Prozent der Menschen. Diese Reichen sollten wir davon überzeugen, sich an der Lösung der Probleme zu beteiligen."

Die bisherigen Millenniumsziele sind acht Ziele, die sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2000 gesetzt hat. So soll bis 2015 etwa die Armut in den Entwicklungsländern halbiert und der Zugang zu sauberem Trinkwasser oder zu Schulbildung garantiert werden.

Munasinghe hat nun seine Vorschläge in die Vorbereitungen zum UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung 2012 in Rio eingebracht. Er schlägt Ziele für die "überentwickelten" Länder bis 2020 vor, die sich vor allem mit dem Lebensstil beschäftigen: Energie- und Wasserverbrauch, Bekämpfung der Fettleibigkeit, Gebäudesanierung, Steuern auf Luxusgütern, bessere Arbeitsbedingungen und reduzierte Arbeitszeiten. Auch einige Staatsausgaben der Industrieländer sollten ins Visier genommen werden, etwa die Rüstungsausgaben von weltweit 1,5 Billionen Dollar jährlich.

Was Munasinghe vorschlägt, sind Konsequenz aus seinen Überlegungen zu "Sustainomics", einer Form des nachhaltigen Wirtschaftens, die sich etwa auf eine neue Wirtschaftsethik bezieht. Da es in entwickelten Ländern um 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch geht, machten bereits kleine Änderungen einen großen Unterschied; außerdem richten sich diese Ziele auch an die Mittel- und Oberschichten in den armen Ländern, sodass die Gefahr von "Blockade aus nationalem Eigeninteresse" geringer sei. Außerdem könne jeder handeln und andere dadurch zum Mitmachen anregen.

Beim US-Öko-Thinktank "Worldwatch Institut" in Washington stieß der Vorschlag auf Begeisterung. In einem Blog rief der Autor Erik Assadourian dazu auf, Vorschläge für die "Millenium Consumption Goals" zu unterbreiten. Er selbst regte an, die Fettleibigkeits-Rate bis 2020 zu halbieren, die Arbeitswoche auf 20 Stunden zu reduzieren, die Steuern für die Reichsten zu erhöhen, den nichtmotorisierten Verkehr zu verdoppeln sowie eine freie Gesundheitsversorgung für alle.

Andere Blogger regten an, weniger Fleisch zu essen, die Preise von Produkten an ihre tatsächlichen Kosten für Menschen und Umwelt anzugleichen oder persönlich jedes Jahr seine CO2-Emissionen um 10 Prozent zu reduzieren. "Ich lade alle ein, zusätzliche Ideen einzubringen", schreibt Assadourian. Zum Beispiel hier: blogs.worldwatch.org/transformingcultures/mcgs/

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13 Kommentare

 / 
  • HK
    Hans Kuepper

    Übergewicht ist an sich kein so wichtiges Thema - ausser dass jeder Übergewichtige natürlich mehr "Ressourcen" verbraucht hat um übergewichtig zu werden. Thema sind die Folgen, Krankheiten, Diabetes etc. Alles das kostet viel und wird über Krankenversicherungen etc auf die Gesellschaft abgewältzt. Deshalb ist es wichtig Übergewicht zu bekämpfen. Einiges zum Thema Diabetes hier: http://www.palitra-pitania.ru/answers_eng/diabetes_eng/?lang=en

  • P
    Phygranimus

    Wie man es dreht und wendet, die komplette Marktwirtschaft der Menschheit ist nur finsterster Dreck;

    solange es keine Forderungen und Bestrebungen gibt,

    diese in logische und seinsverträgliche Natur-humane Formen zu bringen und das weltweit.

    Diese Veränderungen werden nicht ganz friedlich vonstatten gehen, da Reiche und Mächtige, weder Geld noch Macht abgeben möchten.

    Aber ohne die großen Revolutionen bleibt die Menschheit auf Selbstzerstörungskurs.

    Und diese müssen ein weitaus größeres Kaliber haben, als solche " Spielzeugrevolutionen" wie in Nordafrika,

    die bis jetzt nur eine Farce der im Hintergrund agierenden Logenbrüder sind.

  • Q
    Querulant

    Gute Idee... nachdem die Milleniumsziele für die Entwicklungsziele vorrausichtlich nicht erreicht werden, setzten wir uns am besten gleich wieder schwer realisierbare Ziele..

  • A
    AlexsZander

    Lieber Valentin,

     

    Sie haben natürlich recht, dass im Rahmen des jetzigen Wirtschaftssystems eine Postwachstumsgesellschaft nicht verwirklicht werden kann. Wie ein künftiges Wirtschaftssystem stattdessen aussehen kann, weiß ich aber auch nicht. Der alte Gegensatz zwischen Sozialismus und Kapitalismus erscheint mir persönlich zu sehr vereinfachend, als dass das Denken in solchen Kategorien des "entweder oder" uns weiterbringen würde.

    Für mich ist aber dennoch klar, dass wir über sozialistische Ideen ein wichtiger Ideenpool auf dem Weg in die Postwachstumgesellschaft sein werden.

    Ich gebe Ihnen recht, dass die Zeichen sich mehren, dass sich das System selbst zerstört. Andererseits glauben das Linke schon seit Jahrzehnten. Nur weil dass System regelmäßig und in zunehmender Häufigkeit Opfer von Krisen wird, heißt das noch lange nicht, dass es irgendwann aufhört zu existieren. Genauso wie ein Umschlag in ein sozial gerechteres, nachhaltigeres System denkbar ist, ist auch der Umschlag in einen Neufeudalismus, in dem die Klassengrenzen stahlhart und undurchlässig sind, denkbar.

    Ich unterstelle Ihnen das nicht, aber der Glaube dass das System kollabiert und dann käme es automatisch zu einem gerechteren System, bei dem wir quasi wieder von Null anfangen könnten, ist ein gefährlicher Irrglaube, vor dem wir uns hüten sollten.

    Kein Wachstum in einer Postwachstumsgesellschaft ist ein Segen, aber kein Wachstum in einer Wachstumsgesellschaft ein Fluch.

  • V
    Valentin

    Lieber Herr Zander,

     

    alles schön und gut und ich würde sie in all Ihren Forderungen unterstützen.

    Aber leider ist in unserem wachstums- und zinsbasierten Wirtschaftssystem ein Konsumrückgang nicht vorgesehen, um nicht zu sagen unmöglich. Um diese schönen Milleniumsziele zu erreichen, müssen also erst woanders die Hausaufgaben gemacht werden, sonst sind sie das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben werden.

    Und da sehe ich leider gewaltige Kräfte am Werk, die das verhindern wollen.

    Allerdings mehren sich auch die Zeichen ungemein, dass sich das System selbst zerstört. Dann brauchen wir allerdings keine Milleniumsziele mehr. Die erreichen wir dann anstrengungslos und unfreiwillig. Ich versuche mich vorzubereiten.

     

    lg Valentin

  • B
    binmama

    hm, die Fettleibigkeit ist am stärksten bei den Armen der Industrienationen ein

    Thema.... industriell hergestellte Lebensmittel, künstliche Zutaten.... bei INFOKRIEGER TV auf youtube findet man horrible Berichte über die Wirkung von

    manipulierten Lebensmitteln. Es sollen also am besten die Armen des "Westens" noch ärmer gemacht werden????

    Warum setzt sich die Taz ( und auch die Grünen und Linken) so wenig mit diesen Themen auseinander???? Auch eine Betrachtung über die Klimalüüüüüge die uns aufgetischt wird um unsere Fesseln und Knebel noch straffer zu ziehen... CO2 ist ganz schlimm und Quecksilber, Gift im Essen,

    Waldvernichtung sind gar nicht so schlimm... die "Macher" dieser Welt haben einfach den grünen Klimaschutz und ehrliche Werte der Umweltschützer für sich instrumentalisiert und verdienen sich blödsinnig dabei...

     

    Was die Vergiftung der Menschen durch Lebensmittel anbelangt( die zu Verfettung, Allergie, Krankheiten cerebralen Dysfunktionen führt (durch Flour, Aspartam ect)). steht eigentlich eine Klage ( gegen Lebensmittelhersteller, Monsanto, Pharma...) wegen vorsätzlicher Körperverletzung an...

    Grundnahrungsmittel sind bald teurer als "fastfood", Preistreiberei weltweit durch Börsenspekulation mit Lebensmitteln... da muss auch angesetzt werden

  • HG
    Hans-Peter Gensichen

    Wer jemals behauptet hat, er / sie sei für die Milleniumsziele von 2000 - und uns jetzt glauben machen will, die neuen MiLlenniumsziele seien diktatorísch oder unsinnig oder - der ist für die Chameleonaustellung reif. Oder meine ich die Heuchler-Show? Er / sie hat nur eine Chance, nicht ausgestellt zu werden: wenn dort schon alle Plätze besetzt sind.

  • F
    Fairtradefreak

    VIELLEICHT IST ES AUCH EINFACH EINE AUFFORDERUNG ZUR VERANTWORTUNGSÜBERNAHME...

    Lest mal Thoureau, lest mal Kafkas privatere Ansichten, lest mal all diejenigen, die über Verantwortung philosophiert haben und das in einem Weltbild mit Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit.

    Und fragt euch einmal selbst...

     

    Ist es so abwegig zu behaupten, dass man Verantwortung für das trägt, auf das man (direkt oder indirekt) Einfluss hat, insofern man diesen Einfluss selbst mitbestimmen kann???

     

    Und wenn wir uns alle einig sind, dass Einflussnahme Verantwortung bedeutet,

    liegt die Schlussfolgerung genau so nah,

    dass unser Konsum als Form der Einflussnahme Verantwortlichkeiten mit sich bringt.

     

    Und diese Verantwortlichkeiten umfassen all das, das wir durch unseren Konsum beeinflussen - Arbeitsbedingungen in Produzentenländern, Umweltschäden durch Transport, Müll, Produktion, Massentierhaltung... Tierquälerei durch Gier...

    und vieles mehr.

    Ich brauche das hier nicht weiter ausführen - die Zusammenhänge werden oft genug und gründlich beleuchtet.

    Man muss sie nur auch wahrnehmen und wahrhaben wollen und nicht immer jedes Appell an die Moral negativ auffassen und mit irgendwelchen denunzierenden Begrifflichkeiten belegen.

    Das hat nämlich nur eines zur Folge: dass sich wieder einmal Leute ihrer Verantwortung entziehen.

  • A
    AlexsZander

    @ Zaza:

     

    Aus deiner Angst vor einer totalitären Gutmenschen-Diktatur lässt sich schließen, dass Freiheit für dich wohl ein hohes Gut ist. Für mich auch, und gerade deswegen unterstütze ich die Vorschläge für Mileniums-Konsumziele!

    Die Forderung danach, dass die Reichen ihren Konsum beschränken sollen, muss gerade aus dem Blickwinkel einer liberalistischen Moral, welche die individuelle Freiheit in den Mittelpunkt stellt, unterstützt werden. Das ist sicher eine steile These, aber ich bin um einer Erklärung nicht verlegen:

    1. Das heutige Konsumlevel in den Industrieländern ist nicht nachhaltig und mit dem Klimawandel nicht zu vereinbaren. Mehr Konsum bedeutet mehr Ausstoß an Treibhausgaßen. Dieser Zusammenhang kann durch den technologischen Fortschritt allenfalls abgeschwächt werden, aber keinesfalls umgekehrt werden (dies hängt mit den Gesetzen der Thermodynamik zusammen wie der Begründer der Umweltökonomik Georgescu-Roegen eindrucksvoll schon vor Jahrzehnten bewiesen hat). Daraus folgt : Wir brauchen weniger Konsum um den Klimawandel zu stoppen. (Und das sollte schnell geschehen, bis 2015 muss sich der Ausstoß an Treibhausgaßen stabilisiert haben, um ihn dann bis 2050 radikal zu senken, ansonsten kann, dass 2°C nicht eingehalten werden und die Folgen des Klimawandels werden nicht mehr beherrschbar)

    2. Ein ungebremster Klimawandel würde gerade jene in ihrer Freiheit beschränken, die am wenigsten etwas für den Klimawandel können. Der Klimawandel wird die ärmsten der Armen ihrer Lebensgrundlagen in Form von Weide- und Ackerland berauben, während in den reichen Industrieländern weiterhin ein verschwänderischer Lebensstil gelebt werden kann. Damit werden diese gezwungen ihre Heimat zu verlassen und ihren Lebensstil zu ändern. Ihre Handlungsalternativen werden sich durch den Klimawandel radikal einschränken! Na wenn das mal keine Einschränkung von Freiheit ist!

     

    In dem Maße, in dem wir weitermachen unseren nicht nachhaltigen Lebensstil zu pflegen, zerstören wir die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen, insbesondere in den ärmeren Regionen der Welt und berauben diese damit ihrer Freiheit. Die individuelle Freiheit muss da enden, wo die Freiheit von anderen beschränkt wird. Deswegen ist es notwendig unseren Konsum einzuschränken, die überentwickelte Ökonomie unserer Gesellschaft gesund zu schrumpfen, um danach in eine Postwachstumsgesellschaft überzugehen. Die Milleniums-Konsumziele könnten ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

  • Z
    Zaza

    Das ist die unverblümte Forderung nach einer totalitären Diktatur im gutmenschlichen Gewande.

     

    Als nichts anderes empfinde ich es wenn man Menschen per Zwang sogar vorschreiben will, was sie essen sollen. Hier wird bis ins privateste hineinregiert.

  • D
    dieter

    Wenn Deutschland halbwegs integer wäre, würde es Rüstungskonzerne wie Heckler & Koch dichtmachen & bekannte Kriegsverbrecher bzw. eigtl. alle Kriegstreibenden nach Den Haag zerren..

  • D
    dick&doof

    Mein Kommentar heißt: Trinkwasser könnte auch exportiert werden, mittels Trinkwasserleitung, da liegt es nahe, das Photovoltaikprojekt mit den daran gekoppelten Spannungstrassen mit Trinkwasserleitungen zu verbinden

  • D
    Dolph

    Na ja, sind ja noch fast 1000 Jahre bis zum nächsten Millenium. Da bleibe ichalso mal ganz gelassen...