Militärputsch in Myanmar: Vorwärts in Myanmars Vergangenheit

Den neuen Machthabern geht es neben Macht um den Zugriff auf staatliche Ressourcen. Es ist eine Rolle rückwärts, die die Bevölkerung ausbaden muss.

Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi neben Flaggen Myanmars läuft von einer Bühne

Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi im September 2017 Foto: Stringer/reuters

Seit Myanmars Militärs dem südostasiatischen Land 2008 ihre Verfassung aufdrückten, enthält diese quasi ein Blanko-Putschrecht der Generäle. Davon haben sie nach ihren Drohungen der vergangenen Woche am Montag Gebrauch gemacht. Demnach konnte ein nationaler Sicherheitsrat, in dem Generäle das Sagen haben, selbstherrlich und an der zivilen Regierung vorbei den Notstand feststellen, den vom Militär gestellten Vizepräsidenten zum Staatsoberhaupt erklären und das Militär mit der Regierungsführung des Landes beauftragen.

Glaubt man den Generälen, haben sie sich jetzt also nur treu an die Verfassung gehalten. Diese konstitutionelle Selbstermächtigungsmöglichkeit konnte bisher nicht abgeschafft werden, weil die Generäle mit ihren Abgeordneten im Parlament eine Sperrminorität in Verfassungsfragen haben.

Natürlich redet sich das Militär jetzt seine Verfassungstreue schön, denn das Grundgesetz sagt nicht, dass der Präsident – ein Vertrauter der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi – wie diese einfach so vom Militär festgenommen und durch dessen eigenen Vizepräsidenten ersetzt werden kann. Die Berufung auf die Verfassung ist ein Feigenblatt für den Machtwillen der Generäle. Abgesehen davon sind sie gerade selbst über ihre eigene Verfassung gestolpert, als sie beim Obersten Gericht wegen angeblicher Wahlfälschung klagen wollten, das Gericht sie aber an die laut Verfassung allein zuständige Wahlkommission verwies.

Es geht also allein um die Macht im Staat. Die Generäle, die einst brutal an die Macht kamen und das Land heruntergewirtschaftet haben, mussten in den Nullerjahren einsehen, dass sie nicht fähig waren, das Land gut zu führen. Sie waren dann schlau genug, sich in die zweite Reihe zurückzuziehen und die Macht letztlich mit der damaligen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi zu teilen.

Militär erbt alle Probleme

Diese hat seitdem viele Demokratieaktivisten und Menschenrechtsorganisationen enttäuscht, weil sie selbst zwar immer mehr Macht für sich wollte, aber das Land weder demokratisch reformiert noch sich für die Menschenrechte eingesetzt hat. Trotzdem hat sie mit ihrer Partei die letzte Parlamentswahl deutlich gewonnen. Denn die Bevölkerung hat gemerkt, dass es Fortschritt nur mit der „Lady“, wie sie im Land genannt wird, aber nicht mit dem Militär geben kann.

Der Putsch dreht jetzt das Rad zurück. Damit erbt das Militär jetzt alle Probleme wie etwa die Coronapandemie, die schon die Regierung von Aung San Suu Kyi bisher nicht meistern konnte und für die Militärs keine qualifizierte Ausbildung haben. Dass die Generäle das Risiko, ihren Ruf erneut zu ruinieren, auf sich nehmen, zeigt, dass es ihnen neben der Macht vor allem um den Zugriff auf staatliche Ressourcen und damit verbundene Einkommensmöglichkeiten geht.

Der Putsch ist ein Schritt in die falsche Richtung und wird kein Problem des Landes lösen. Zu hoffen bleibt, dass die Militärs sich jetzt vollends diskreditieren. Doch ausbaden müsste das wieder die Bevölkerung.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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