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Militärjustiz in DeutschlandKriegsverbrecher nach Potsdam

Die Koalition will eine Instanz für Ermittlungen gegen Soldaten im Auslandseinsatz. Möglich sind Staatsanwaltschaft in Potsdam – oder Bundesanwaltschaft.

Für deutsche Soldaten im Ausland soll die Zuständigkeit der Gerichte geregelt werden. Bild: dpa

Für Soldaten im Auslandseinsatz soll es künftig eine "zentrale Zuständigkeit der Justiz" geben. Das sieht der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag vor. Bisher dachte man an die Staatsanwaltschaft in Potsdam, übersehen wurde die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Diese prüft gerade, ob gegen Oberst Klein ermittelt werden soll, der die Bombardierung zweier Tanklastzüge in Afghanistan befahl und so den Tod vieler Zivilisten verursachte. Die Beratungen in der Koalition müssen jetzt von vorn beginnen.

Bisher hatte die Staatsanwaltschaft in Potsdam nur eine Eilkompetenz. Wenn ein deutscher Soldat an einem Checkpoint in Afghanistan Zivilisten erschoss, dann prüfte sie nur, ob es offensichtlich Notwehr war. Waren genauere Untersuchungen notwendig, wurde der Fall an die Ankläger am Heimatstandort des Soldaten weitergegeben. So wurden immer wieder neue Staatsanwaltschaften mit Soldatenfällen befasst.

Der FDP-Rechtspolitiker Jörg van Essen fordert deshalb schon seit Jahren, dass die Staatsanwaltschaft Potsdam zentral zuständig sein soll und die Fälle nicht mehr abgeben muss. So würde schneller und sachkundiger ermittelt, meint van Essen. Damit hat er sich jetzt zumindest in der Koalition durchgesetzt.

Doch warum gerade Potsdam? Weil in Geltow bei Potsdam das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sitzt. Kritiker wie Wolfgang Neskovic (Linke) sehen in so viel Nähe eher die Gefahr von "Befangenheit". Rechtsexperten im Bundeswehrverband kontern, dass besondere Sachkunde auch kritischere Prüfungen ermöglicht.

Ein großer Apparat würde bei der Staatsanwaltschaft Potsdam nicht entstehen. "Bislang bearbeiten wir 15 bis 20 Fälle im Jahr", sagte ein Sprecher auf Nachfrage der taz. Dabei geht es nicht nur um Fälle aus Afghanistan, sondern auch aus anderen Auslandseinsätzen, etwa im Kosovo. Und neben spektakulären Todesschüssen werden auch Prügeleien unter Soldaten oder Verkehrsunfälle untersucht. Im Falle einer Anklage durch die Potsdamer Staatsanwaltschaft wäre dann das Potsdamer Landgericht für das Urteil zuständig.

Es geht derzeit also nur um eine Zentralisierung von Zuständigkeiten, nicht um den Aufbau einer eigenständigen Militärjustiz. Derartiges fordert bis jetzt nur der Bundeswehrverband, der sich dabei auf eine im Grundgesetz vorgesehene Option beruft.

Nun werden die Karten neu gemischt. Im Oberst-Klein-Fall wurde deutlich, dass es für bestimmte Fälle bereits eine zentrale Instanz gibt. Die Bundesanwaltschaft ist zuständig, wenn es um Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch geht, etwa den unverhältnismäßigen Einsatz militärischer Gewalt bei Angriffen der Bundeswehr. Wäre es da nicht nahe liegend, wenn die Bundesanwaltschaft auch die Fälle übernimmt, bei denen Soldaten in echter oder vermeintlicher Notwehr auf Zivilisten feuern? "Wir prüfen alle Optionen", sagte ein Sprecher des Justizministeriums zur taz.

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20 Kommentare

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  • G
    gregor

    @stefan

    Oberst Kurtz ist nicht fiktiv. Er taucht immer auf, wenn man an den imperialen Grenzen gegen die Wilderness versagt. Das gehört zu der Logik der Dinge und darum kümmert sich die Metropole vorbeugend um die künftigen "Kriegsverbrecher".

  • DG
    Dirk Gober

    Es ist noch gar nicht lange her, da war die taz, samt ihrer Gefolgschaft, ein absoluter Fan der NATO, und damit der Soldaten, des Kriegs, auch wenn der völrerrechtswidrig ist und 10.000 Zivilisten das leben kostet.

    Freilich ging es ja damals nicht gegen "Unschuldige", wie etwa alle Moslems und Islamisten genannt werden, sondern gegen Christen, die ja an sich, wenn sie Moslems im wege stehen, kein Lebensrecht mehr haben.

    Wann arbeitet die taz endlich ihre Vergangenheit auf (Hetze und propaganda für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien) und wann trennt sie sich von (per definitionem) Kriegsverbrechern wie Erich Rathfelder und anderen, die 1998/1999 für den Krieg getrommelt haben?

    Solange sie das nicht tut, hat sie auch nicht das Fünkchen eines moralischen Rechts, irgend etwas zu kritisieren.

  • S
    Stefan

    @gregor

    Schade, dass du deine militärische Kompetenz aus dem Feuilleton deutscher Zeitschriften beziehst, weiterhin aus dem Dauer-Betrachten eines apokalyptischen Film-Klassikers, bis das Videoband transparent geschubbelt ist.

    Für dich ist der der Tanklastwagen-Vorfall doch ein Glücksfall - ohne diesen müsste doch der fiktive Colonel Kurtz weiter ohne Assoziationen durch deine Gedanken geistern.

    Kleine Brücke zur nächsten Assoziation:

    Grüße vom "Kommentar-Göbbels"

  • S
    Stefan

    Eigentlich wollte ich eine UNGESCHICKTE ÜBERSCHRIFT attestieren, da es sich jedoch um einen hauptberuflichen Journalisten handelt nenne ich es eine DUMME ÜBERSCHRIFT!

    Entweder hat Christian Rath nicht die geringste Ahnung vom deutschen Rechtssystem oder er ist ein infamer Hetzer, was ich eher vermute. Jeder fremd verschuldete Todesfall wird in der Bundesrepublik von der Staatsanwaltschaft untersucht. So auch Todesfälle, in die deutsche Soldaten im Ausland verwickelt sind (wertfrei). Diese Vorverurteilung aber ist unerträglich.

  • P
    Peterchen

    Unschuldsvermutung?

    Niemals ermittelt ein Staatsanwalt gegen Kriegsverbrecher!

    Ermittlungen laufen nur gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher - erst nach einem entsprechenden Urteil werden daraus Kriegsverbrecher, dann wird aber auch nicht mehr ermittelt.

    Dieser wichtige Unterschied wird schon in der Überschrift unterschlagen ... und das sagt eigentlich schon alles.

    Wieso äußert sich die TAZ überhaupt zu dem Thema? Solange nicht jeder BW-Soldat gleich nach der Uniformausgabe eine Haftstrafe erhält, ist für diese Zeitung doch ohnehin die Militärjustiz zu lasch und politisch verdächtig.

     

    Aber auch Soldaten sind Menschen und für diese muss, selbst für den progressiven Linken, gelten: Gerechtigkeit ja, Vor-Urteile nein.

     

    Übrigens, liebe Berufs-Empörer, eine Spezialisierung der Staatsanwaltschaft bedeutet noch lange keine Sympathie - oder wirft hier jemand auch den Anklägern in Den Haag Sympathie für Milosevic & Co vor?

  • G
    gregor

    Die Neoimperialisten, die die Soldaten in den Kampf gegen die Barbaren irgendwo in dem planetarischen Hinterland schicken, dürfen sich freuen. Denn die größte Sorge macht ihnen in solchen Fällen der apokalyptische Geist von Oberst Walter E.Kurtz. Es ist zu vermuten, dass Oberst Klein von dem Geiste von Kurtz betroffen wurde und einen eigenen Afghanistan-Krieg angefangen hat zu führen. Ein schrecklicher Fall, wenn nicht die neoimperialistischen kriegslustigen Schreibtischtäter an der Heimatfront, sondern die Soldaten und Offiziere selbst anfangen werden zu bestimmen, wie man den Krieg gewinnen muss.

    Würde man aber sagen, übergibt doch den Oberst Klein an die afghanische Staatsanwaltschaft, Afghanistan ist doch ein, dank dem Westen, souveräner Staat und es wurden doch afghanische Bürger getötet, dann würde man wohl hören - es geht doch nicht um Afghanen, es geht um unsere Verwirklichung unserer Träume der Militärintervention weltweit, die von Oberst Kurtz bzw. Klein besudelt werden.

  • NJ
    Na Ja

    Nach Ihrer Zeitung sind das also alles Kriegsverbrecher, dieses Gesindel in bunten Lumpen. Das die Tendenz Ihres Herrn Christian Rath schon in der Überschrift so deutlich wird erspart einem ja das Lesen des restlichen Artikels.

  • V
    vic

    Kein Kriegsrecht in Deutschland!

    Diese sich vermutlich häufenden Fälle müssen von einer unabhängigen Gerichtsbarkeit beurteilt werden. Und wer wäre besser dafür geeignet als die Bundesanwaltschaft?

    Soldaten dürfen nicht zu Outlaws und die Bundeswehr darf nicht zu Blackwater werden.

  • A
    Alex

    Potsdam passt schon, das hat damit jahrhundertelang Erfahrung.

     

    Die alte Potsdamer Stadtmauer hatte eine wesentliche Gemeinsamkeit mit der Berliner Mauer: Man wollte nicht äußere Feinde abwehren, sondern die eigenen Einwohner, im Speziellen Soldaten, am unerlaubten Desertieren hindern. Hatte sich doch der Soldatenkönig seine Gardesoldaten aus ganz Europa zusammengeholt, und das nicht unter Zustimmung der Betroffenen.

    Damals half dann auch die Militärjustiz nach ...

  • G
    gregor

    @stefan

    Oberst Kurtz ist nicht fiktiv. Er taucht immer auf, wenn man an den imperialen Grenzen gegen die Wilderness versagt. Das gehört zu der Logik der Dinge und darum kümmert sich die Metropole vorbeugend um die künftigen "Kriegsverbrecher".

  • DG
    Dirk Gober

    Es ist noch gar nicht lange her, da war die taz, samt ihrer Gefolgschaft, ein absoluter Fan der NATO, und damit der Soldaten, des Kriegs, auch wenn der völrerrechtswidrig ist und 10.000 Zivilisten das leben kostet.

    Freilich ging es ja damals nicht gegen "Unschuldige", wie etwa alle Moslems und Islamisten genannt werden, sondern gegen Christen, die ja an sich, wenn sie Moslems im wege stehen, kein Lebensrecht mehr haben.

    Wann arbeitet die taz endlich ihre Vergangenheit auf (Hetze und propaganda für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien) und wann trennt sie sich von (per definitionem) Kriegsverbrechern wie Erich Rathfelder und anderen, die 1998/1999 für den Krieg getrommelt haben?

    Solange sie das nicht tut, hat sie auch nicht das Fünkchen eines moralischen Rechts, irgend etwas zu kritisieren.

  • S
    Stefan

    @gregor

    Schade, dass du deine militärische Kompetenz aus dem Feuilleton deutscher Zeitschriften beziehst, weiterhin aus dem Dauer-Betrachten eines apokalyptischen Film-Klassikers, bis das Videoband transparent geschubbelt ist.

    Für dich ist der der Tanklastwagen-Vorfall doch ein Glücksfall - ohne diesen müsste doch der fiktive Colonel Kurtz weiter ohne Assoziationen durch deine Gedanken geistern.

    Kleine Brücke zur nächsten Assoziation:

    Grüße vom "Kommentar-Göbbels"

  • S
    Stefan

    Eigentlich wollte ich eine UNGESCHICKTE ÜBERSCHRIFT attestieren, da es sich jedoch um einen hauptberuflichen Journalisten handelt nenne ich es eine DUMME ÜBERSCHRIFT!

    Entweder hat Christian Rath nicht die geringste Ahnung vom deutschen Rechtssystem oder er ist ein infamer Hetzer, was ich eher vermute. Jeder fremd verschuldete Todesfall wird in der Bundesrepublik von der Staatsanwaltschaft untersucht. So auch Todesfälle, in die deutsche Soldaten im Ausland verwickelt sind (wertfrei). Diese Vorverurteilung aber ist unerträglich.

  • P
    Peterchen

    Unschuldsvermutung?

    Niemals ermittelt ein Staatsanwalt gegen Kriegsverbrecher!

    Ermittlungen laufen nur gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher - erst nach einem entsprechenden Urteil werden daraus Kriegsverbrecher, dann wird aber auch nicht mehr ermittelt.

    Dieser wichtige Unterschied wird schon in der Überschrift unterschlagen ... und das sagt eigentlich schon alles.

    Wieso äußert sich die TAZ überhaupt zu dem Thema? Solange nicht jeder BW-Soldat gleich nach der Uniformausgabe eine Haftstrafe erhält, ist für diese Zeitung doch ohnehin die Militärjustiz zu lasch und politisch verdächtig.

     

    Aber auch Soldaten sind Menschen und für diese muss, selbst für den progressiven Linken, gelten: Gerechtigkeit ja, Vor-Urteile nein.

     

    Übrigens, liebe Berufs-Empörer, eine Spezialisierung der Staatsanwaltschaft bedeutet noch lange keine Sympathie - oder wirft hier jemand auch den Anklägern in Den Haag Sympathie für Milosevic & Co vor?

  • G
    gregor

    Die Neoimperialisten, die die Soldaten in den Kampf gegen die Barbaren irgendwo in dem planetarischen Hinterland schicken, dürfen sich freuen. Denn die größte Sorge macht ihnen in solchen Fällen der apokalyptische Geist von Oberst Walter E.Kurtz. Es ist zu vermuten, dass Oberst Klein von dem Geiste von Kurtz betroffen wurde und einen eigenen Afghanistan-Krieg angefangen hat zu führen. Ein schrecklicher Fall, wenn nicht die neoimperialistischen kriegslustigen Schreibtischtäter an der Heimatfront, sondern die Soldaten und Offiziere selbst anfangen werden zu bestimmen, wie man den Krieg gewinnen muss.

    Würde man aber sagen, übergibt doch den Oberst Klein an die afghanische Staatsanwaltschaft, Afghanistan ist doch ein, dank dem Westen, souveräner Staat und es wurden doch afghanische Bürger getötet, dann würde man wohl hören - es geht doch nicht um Afghanen, es geht um unsere Verwirklichung unserer Träume der Militärintervention weltweit, die von Oberst Kurtz bzw. Klein besudelt werden.

  • NJ
    Na Ja

    Nach Ihrer Zeitung sind das also alles Kriegsverbrecher, dieses Gesindel in bunten Lumpen. Das die Tendenz Ihres Herrn Christian Rath schon in der Überschrift so deutlich wird erspart einem ja das Lesen des restlichen Artikels.

  • V
    vic

    Kein Kriegsrecht in Deutschland!

    Diese sich vermutlich häufenden Fälle müssen von einer unabhängigen Gerichtsbarkeit beurteilt werden. Und wer wäre besser dafür geeignet als die Bundesanwaltschaft?

    Soldaten dürfen nicht zu Outlaws und die Bundeswehr darf nicht zu Blackwater werden.

  • A
    Alex

    Potsdam passt schon, das hat damit jahrhundertelang Erfahrung.

     

    Die alte Potsdamer Stadtmauer hatte eine wesentliche Gemeinsamkeit mit der Berliner Mauer: Man wollte nicht äußere Feinde abwehren, sondern die eigenen Einwohner, im Speziellen Soldaten, am unerlaubten Desertieren hindern. Hatte sich doch der Soldatenkönig seine Gardesoldaten aus ganz Europa zusammengeholt, und das nicht unter Zustimmung der Betroffenen.

    Damals half dann auch die Militärjustiz nach ...