Militärjunta in Guinea: China an den Hals

Wegen eines Massakers an 157 Demonstranten ist die Militärjunta in Guinea unter Druck und sucht Hilfe in China. Europa und Afrika fordern Regimewechsel und erwägen einzugreifen.

Guineas Militärdiktator Captain Moussa Dadis Camara am Unabhängigkeitstag. Bild: ap

BERLIN taz | Zweieinhalb Wochen nach dem Massaker an mindestens 157 friedlichen Demonstranten in Guineas Hauptstadt Conakry am 28. September gerät die Militärjunta von Kapitän Moussa Dadis Camara international unter Druck. Afrika, Europa und die USA fordern Camaras Rücktritt, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat die Aufnahme von Voruntersuchungen angekündigt.

Als Reaktion wirft sich die Junta China an den Hals. Nach von Bergbauminister Mahmoud Thiam bestätigten Berichten verhandelt Guineas Regierung mit dem Hongkonger China Investment Fund und der chinesisch-angolanischen Ölfirma China Sonangol über die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens, das sämtliche Staatsanteile an existierenden Joint Ventures mit ausländischen Bergbaufirmen in Guinea übernehmen soll. Die chinesische Seite solle 7 Milliarden Dollar zahlen, mehr als Guineas derzeitiges Bruttosozialprodukt. 130 Millionen Euro seien bereits geflossen.

Guinea ist der weltgrößte Förderer des Aluminiumerzes Bauxit, mit vor allem russischen und kanadischen Partnern. Auch gigantische Eisenerz-, Gold- und Diamantenvorkommen warten auf die Erschließung. Der China-Deal wäre Chinas größtes Afrika-Geschäft im Vergleich zur Wirtschaftsleistung des betroffenen Landes. Ein erstes Abkommen wurde bereits diese Woche unterzeichnet. Mit Chinas Unterstützung könnte Dadis Camara seinen Kritikern gelassen entgegentreten. Proteste gegen ihn gehen im Wochenrythmus weiter: Am 5. Oktober wurde in der Provinzstadt Kissidougou demonstriert, am 12. und 13. Oktober legte ein zweitägiger Generalstreik Guineas Bergbau lahm.

Versuche der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), Guineas Regierung mit einer Mischung aus Drohungen und Gesprächen einzubinden, haben bisher keine Ergebnisse erbracht. Man wolle Dadis Camara "helfen, die Spannungen zu senken, den Übergangsprozess (zu Wahlen) neu in Gang zu bringen, den Dialog zwischen Machthabern und gesellschaftlichen Kräften wieder aufzunehmen und zu sehen, wie man zu glaubwürdigen und transparenten Wahlen kommt", hatte Ecowas-Kommissionspräsident Mohamed Ibn Chambas Anfang letzter Woche gesagt, bevor Burkina Fasos Präsident Blaise Compaoré auf Ecowas-Bitte Junta und Opposition zu Gesprächen nach Ouagadougou einlud.

Doch Guineas Opposition stellte Bedingungen: Rücktritt des Juntachefs, Auflösung der Junta zugunsten einer Übergangsregierung, Festnahme und Anklage der Verantwortlichen des Massakers. Nach anfänglichen Irritationen über diese radikale Haltung verurteilte die Ecowas am Montag auf einem Sondergipfel in Nigeria die "brutalen Tötungen" und warnte vor einer "neuen Diktatur" in Guinea.

Ein weiterer Ecowas-Gipfel soll am Samstag folgen. Die Zeichen stehen auf Militärintervention: Parallel zum Gipfel vom Montag beschloss die internationale Guinea-Kontaktgruppe, die afrikanische, europäische, US- und UN-Diplomaten vereint, in Nigeria die Entsendung einer von Ecowas-Truppen zu schützenden "internationalen Untersuchungskommission" nach Guinea, um mögliche Ermittlungen zu unterstützen.

Die EU-Kommission hat bereits zugesagt, man sei "bereit, sich an einer Friedensmission zu beteiligen", falls die Afrikanischen Union (AU) eine entsenden wolle. Am 17. Oktober läuft ein Ultimatum der AU an Dadis Camara aus, förmlich auf eine Kandidatur bei den für Ende Januar 2010 geplanten Präsidentschaftswahlen in Guinea zu verzichten oder unter Sanktionen gestellt zu werden.

Guineas Regime könnte aber zerfallen, bevor internationale Ordnungsversuche greifen. In den letzten Tagen sind schon zwei Minister der Militärregierung zurückgetreten. Und es wächst die Angst vor Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Militärfraktionen. Unabhängige Beobachter berichten von der Anwerbung von Milizen auf ethnischer Grundlage, und Augenzeugen zufolge sollen demobilisierte liberianische Bürgerkriegskämpfer am Massaker vom 28. September teilgenommen haben.

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