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MilitärflügeKriegstransporte vor Schwerin

US-amerikanische Truppen sollen zukünftig vom Regionalflughafen Parchim nach Afghanistan fliegen. Die chinesischen Betreiber schweigen, Kritiker warnen vor militärischen Nachtflügen.

Blick auf den leeren Flughafen: Bald sollen hier Flugzeuge der US Army Halt auf dem Weg nach Afghanistan machen. Bild: dpa

Der Flughafen Parchim südlich von Schwerin soll zu einer Drehscheibe für die US-amerikanischen Truppentransporte nach Afghanistan und in den Irak werden. Wie der Radiosender Ostseewelle berichtete, sollen die ersten Transporte bereits im August starten. Parchim war bis 1944 ein Luftwaffenstützpunkt der Wehrmacht.

Der chinesische Betreiber Link Global Logistik führe derzeit Verhandlungen mit amerikanischen Fluggesellschaften, berichtet der Radiosender. Bisher legte die US-Army ihren Zwischenstopp auf dem Weg zum Hindukusch am Leipziger Flughafen ein, um dort zu tanken. Angeblich sind die dortigen regelmäßigen Demonstrationen gegen die Militärflüge der Grund dafür, sich nach einem alternativen Flugplatz umzuschauen.

Am Parchimer Flughafen könnte den US-Truppen vieles gefallen: Er ist besonders auf Frachtflüge zugeschnitten und hat eine ungewöhnlich lange Startbahn von drei Kilometern. Vor allem aber punktet die in DDR-Zeiten von der Sowjet-Armee genutzte Anlage mit ihrem 24-Stunden Betrieb. Damit ist der Flughafen einer von wenigen, der keine Nachtflugbeschränkung hat.

Der chinesische Betreiber möchte das Gerücht um die Geschäfte mit dem US-Militär weder bestätigen noch dementieren. "Ich darf nichts dazu sagen", teilte eine Sprecherin am Donnerstag mit. Auch das Amt des Landrats Parchim gibt sich ahnungslos. Weil der Flughafen in privater Hand sei, habe der Landkreis damit nichts zu tun, teilte eine Sprecherin mit.

Dabei könnte der ab August beginnende Flugverkehr den Himmel über Parchim zum Beben bringen. Zwar würde voraussichtlich nur eine Maschine pro Tag dort landen. Bei den Flugzeugen, in denen dann bis zu 300 Soldaten sitzen, handelt es sich jedoch um zivile Passagiermaschinen vom Typ Boeing 747 oder MD 11. "Die machen viel Krach und sind alt", sagt Lutz Metzger von der Leipziger Initiative "Flughafen natofrei". Zusammen mit etwa 16 anderen Gruppen kämpft er seit Jahren gegen die militärische Nutzung des Leipziger Flughafens.

Dass die US-Armee ihre Flugtransporte vollständig von Sachsen nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt, hält er für unwahrscheinlich. Schließlich flögen die Militärmaschinen Leipzig bis zu sieben Mal täglich an. In Parchim ist jedoch nur ein Anflug am Tag vorgesehen. Der neue Standort könne wohl eher ein zusätzlicher Anflugsort auf deutschem Boden sein. "Eine Entlastung für Leipzig ist er jedenfalls nicht", sagt Metzger.

Die Hoffnung, einheimische Versorger könnten von dem rund zweistündigen Stopp der Soldaten profitieren, werde sich nicht erfüllen, sagt Anti-Nato-Aktivist Metzger. In Leipzig jedenfalls hätten die Militärflüge nicht für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Gastronomie gesorgt. "Die Frage ist ja außerdem, ob man am Krieg verdienen will."

Im 300 Kilometer entfernten Parchim kennt Wolfgang Bohnstedt von der Linkspartei die Antwort: "Wir sind rigoros gegen die geplanten Truppenbewegungen in Krisengebiete." Zwar arbeite ein Teil des Flughafenpersonals wegen schlechter Auftragslage momentan auf Kurzarbeit, der wirtschaftliche Aufschwung dürfe aber nicht durch Truppentransporte erzwungen werden. Der örtliche Flughafen solle stattdessen als rein ziviler Fracht- und Verkehrsflughafen genutzt werden.

Die Interessen der seit 2007 ansässigen Chinesen sehen anders aus. So wirbt die Link Global auf ihrer Homepage damit, dass der Flughafen "dank seiner militärischen Wurzeln" alle Arten von zivilen Luftfahrzeugen aufnehmen könne. Parchim sei für die Gesellschaften attraktiv, die wegen des Nachtflugverbots andere Häfen nicht anfliegen dürften. Dieser 24-Stunden-Betrieb, sagt der Leipziger Lutz Metzger, sei wie ein Kuhfladen, der Fliegen anzieht.

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4 Kommentare

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  • M
    medienguerilla

    Falls mein Ton etwas schroff war, bitte ich das zu entschuldigen. Es ist einfach so, dass ich mir von Zeitungen, zumal von der geschätzten taz, Recherche wünsche. Dass in Parchim vermutlich nix passieren wird, ändert ja nichts daran, dass in Leipzig-Halle viel passiert, schaut Euch etwa das hier an:

     

    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/17724787

     

    Was macht die tunesischer Luftwaffe in Leipzig? Was geht hier eigentlich vor?

     

    Ich habe "Das Schattenreich der Cia" gelesen und kenne http://www.zone-interdite.net. Archipel Gulag steht auf der Lektüre-Liste. Ich erbitte mir von Qualitätstageszeitungen (ja, die taz gehört dazu) etwas mehr Einordnungshilfe. Bitte!

  • M
    medienguerilla

    Vorab: Ich verachte den deutschen Weg, der darin besteht, sich scheinheilig nicht die Finger dreckig zu machen, aber so gut es irgend geht an Kriegen zu verdienen (die Zwischenlandungen bringen fett Kohle ein). Auch das Verschweigen und Schöndenken der Politiker (Buttolo etwa darf sich angesprochen fühlen) ist ekelerregend und demokratieunwürdig.

     

    Doch nun zu meinem Aber:

     

    1. Recherchiert die taz noch selbst oder kolportiert sie neuerdings, was die "Ostseewelle" vermeldet? An der Geschichte ist nichts dran, also kein Grund zur Aufregung! Wahr ist, dass in Leipzig-Halle täglich zig Maschinen Soldaten transportieren. Längst handelt es sich um zig Hunderttausend Passagiere in Tarnfleck. Genaue Zahlen werden verschwiegen.

     

    2. "Jackabum" behauptet in seinem Leserkommentar: "Nach einem Staatsvertrag für die Wiedervereinigung [...] ist es verboten,daß NATO-Truppen die ehemalige DDR betreten." Das ist Quatsch. Der Zwei-plus-vier-Vertrag untersagt zwar die Stationierung oder Verlegung von ausländischen Truppen auf dem Gebiet der DDR. Daraus lässt sich jedoch beim besten Willen nicht ableiten, dass Zwischenlandungen von Truppen verboten sind.

     

    Dass es sich um zivile Flüge handelt, ist freilich eine Politikerlüge. Zwar führen private, outgesourcte Fluggesellschaften (World Airways und Ryan International Airlines) die Transporte durch, aber die Acars-Signale sowie der Nachtbetrieb (welcher für zivile Passagierflüge in Leipzig-Halle verboten ist) sprechen klar für Militärflüge.

     

    Deutschland lügt und verdient dabei viel Geld, die USA verheizen Soldaten in wahnwitzigen Kriegen. Das ist unfassbar schlimm, hat aber nix mit Parchim zu tun.

     

    Übrigens: Die Soldaten darf man in Leipzig-Halle zwar nicht sprechen, aber ihnen beim Aus- und Einsteigen zuzuschauen, stört niemanden.

  • J
    Jackabum

    Man muß die rechtliche Seite prüfen.

    Nach einem Staatsvertrag für die Wiedervereinigung

    (Staatsrechtler kennen die genaue Bezeichnung)

    ist es verboten,daß NATO-Truppen die ehemalige DDR betreten.

    Jetzt hat die USA einen verdeckten Luftwaffenstützpunkt in der DDR a.D.

  • KK
    Klaus Keller

    Gelegenheit:..Ich hoffe es gibt genug Zeltplätze in der Nähe und man kommt mit dem ÖPNV gut hin.

    Ich habe noch die Bilder im Kopf als sich massenweise Leute vor den Depots der Amerikaner auf die Straße setzten. Ein wiedeaufleben der Friedensbewegung vor der Bundestagswahl...

    ein Flughafen am Rande des irgendwo...keine genervten Reisende...

    diese Chinesen....

    was für eine Gelegenheit...hirngespinnste nicht 2009 oder doch... die Hoffnung keimt ein wenig :-)