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Militär feuert Suhartos Schwiegersohn

Indonesiens Armee versucht mit der Entlassung von General Prabowo ihr durch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen angeschlagenes Image aufzupolieren. Der Suharto-Schwiegersohn ist der ideale Sündenbock  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) –Abruptes Ende einer Blitzkarriere: Prabowo Subianto, Schwiegersohn des früheren Präsidenten Suharto und jüngster Dreisternegeneral Indonesiens, ist gestern aus dem Militär verbannt worden. Wie Armeechef Wiranto in Jakarta bekanntgab, ist dies das Ergebnis einer militärinternen Untersuchung über die Entführung, Folter und Ermordung von Dissidenten durch die berüchtigte Spezialeinheit Kopassus im Frühjahr dieses Jahres.

Der 46jährige Prabowo war bis zum März Chef dieser 7.000köpfigen Elitetruppe. Sein Nachfolger, Generalmajor Muchdi Purwopranjono, und der ehemalige Kopassus-Geheimdienstchef Major Charawan haben ebenfalls ihre Posten verloren.

Mehr als 20 Regierungskritiker verschwanden in den ersten Monaten dieses Jahres in geheimen Verhörzentralen des Militärs. 14 von ihnen sind noch nicht aufgetaucht, Menschenrechtler befürchten, daß sie zu Tode gequält wurden. Zehn Soldaten der Kopassus-Einheit wurden inzwischen festgenommen. Sie werden voraussichtlich vor ein Militärgericht gestellt.

Es sei nicht ausgeschlossen, daß Prabowo und die beiden anderen Offiziere sich ebenfalls vor Gericht verantworten müssen, sagte der Armeechef gestern. Dies hänge davon ab, „ob sich beim Verfahren gegen die zehn Kopassus-Angehörigen Beweise in diese Richtung ergeben“. Menschenrechtler wie der Chef der „Kommission für Vermißte Personen und die Opfer der Gewalt“, Rechtsanwalt Munir, der selbst entführt und gefoltert worden war, kritisierten diese Entscheidung. Er fordert, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, unabhängig vom Prozeß gegen die zehn Soldaten. Viele Oppositionelle fürchten, daß die Armeeführung mit Prabowo einen Sündenbock gefunden hat, dem sie alle militärischen Menschenrechtsverletzungen der letzten Jahre in die Schuhe schieben kann.

Der eitle Prabowo, der sich beim deutschen Grenzschutz den letzten Schliff holte, ist wunderbar geeignet für diese Rolle: Er ist für seinen Jähzorn und seine Skrupellosigkeit bekannt, die er zum Beispiel in der Unruheprovinz Irian Jaya zeigte. Auch in der Armee war er keineswegs beliebt, da er als Günstling Suhartos an vielen anderen vorbeibefördert wurde. Als Suharto am 21. Mai zum Rücktritt gezwungen wurde, hoffte Prabowo noch darauf, an der Seite des neuen Präsidenten B.J. Habibie Armeechef zu werden. Doch er unterlag im Machtkampf mit dem ehemaligen Adjutanten Suhartos, General Wiranto. Der hatte es in den letzten Monaten geschafft, sich als „gemäßigter“ Militär darzustellen.

Wiranto schob Prabowo, der seit März Chef der mächtigen „Strategischen Reserve“ Kostrad war, auf einen einflußlosen Posten als Leiter einer Militärakademie in Bandung ab. Als die Anschuldigungen gegen Menschenrechtsverletzungen der Armee immer lauter wurden, richtete Wiranto einen „militärischen Ehrenrat“ ein, der Prabowo vernehmen durfte.

Prabowo habe den Befehl, oppositionelle Aktivitäten vor der Präsidentenwahl im Mai „zu beobachten“, erfuhr die Öffentlichkeit, „falsch interpretiert“. Die Kopassus-Truppe habe ihre Kompetenzen überschritten – ein bemerkenswerter Euphemismus für systematische Folter und Mord. Diese Erklärung Wirantos, der sich in den vergangenen Monaten wiederholt für Menschenrechtsverletzungen des Militärs entschuldigte, ließ aufhorchen. Wer gab die Befehle? In Frage kamen nur wenige Personen, darunter Suharto, Ex-Armeechef Feisal Tanjung, heute Minister in Habibies Kabinett – und Wiranto selbst.

Die Armeespitze bestreitet, von den Entführungen gewußt zu haben. Berichten zufolge soll ein hoher Offizier jedoch schon im Februar bei einem Treffen der Militärführung gefordert haben, die Kidnappings einzustellen. Der Ruf der Armee, die sich als Hüterin der Einheit des Vielvölkerstaates sieht, ist so angeschlagen wie nie. Immer lauter wird der Verdacht, daß einige Einheiten auch hinter den Unruhen und der antichinesischen Gewalt im Mai stecken.

Erst am Wochenende bestätigten sich Vorwürfe, daß die Armee seit Anfang der neunziger Jahre in der Provinz Aceh in Nordsumatra brutal versuchte, die muslimische Unabhängigkeitsbewegung zu vernichten. Die staatliche Menschenrechtskommission, die Gräber untersuchte, fand jetzt „klare Beweise“, daß es „in Aceh ein Massaker gegeben hat“, sagte Kommissionschef Baharuddhin Lopa.

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