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Milieuschutz für die »Insel«

■ Alteingesessenen Altbaumietern auf der Schöneberger Insel soll durch den Erlaß einer Milieuschutzsatzung die Vertreibung wegen Modernisierung erspart bleiben

Die »Schöneberger Insel«, ein tristes Wohngebiet zwischen S-Bahn-Gleisen, war lange Zeit ein eher ärmliches und vernachlässigtes Viertel. Aber seit der Maueröffnung ist die Insel von Bauspekulanten als Innenstadtbereich entdeckt worden, in dem durch Luxusmodernisierungen große Mietsteigerungen möglich scheinen. Nun stehen in jeder Straße Baugerüste und Schuttcontainer, und man fährt Slalom um die Baustellen.

Die Mietpreise nach einer solchen Modernisierung liegen oftmals bei zehn Mark pro Quadratmeter — und mehr. Das bedeutet, daß die hier wohnenden Menschen ausziehen müssen, denn diese Mieten können sie sich nicht mehr leisten. Dieser Entwicklung will jetzt das Bezirksamt einen Riegel vorschieben. Als einziges Mittel hat es dazu die sogenannte Milieuschutzverordnung.

Die etwa zwanzig Straßen zwischen der Lichtenrader S-Bahn, dem S-Bahn-Ring, der Wannseebahn und der Großgörschenstraße sollen davon profitieren. Hier, in einer grauen Wohngegend mit starkem Durchgangsverkehr, leben ungefähr 18.000 Menschen in 7.500 Wohnungen, meist Altbauten mit niedrigem Wohnstandard, wie eine Studie des Bezirksamtes feststellte. Viele Wohnungen haben Ofenheizung oder kein Bad: Eine »einfache« Wohngegend nach dem Mietpreisspiegel des Senates. Kaum Grünflächen gibt es hier, nur zwei Friedhöfe und das Gewerbegebiet auf dem Gelände des Güterbahnhofes Schöneberg, wo nach Senatsplänen vielleicht einmal ein Fernbahnhof entstehen soll. Dominiert wird die Insel von dem riesigen Gasspeicherturm am Südwestzipfel des Inseldreiecks. Die Mieten in den Altbauten der Insel liegen bisher im Durchschnitt bei etwa fünf Mark pro Quadratmeter und sind für Normalverdiener bezahlbar.

Mit der Milieuschutzverordnung versucht das Bezirksamt, die Mieten auch nach der oftmals dringend notwendigen Modernisierung auf einem vertretbaren Maß zu halten, also zwischen sechs und acht Mark pro Quadratmeter. So will man die »ortsansässigen Bevölkerungsstrukturen« erhalten und vor Vertreibung schützen. Sobald die Milieuschutzverordnung in Kraft getreten ist, sind alle Baumaßnahmen genehmigungspflichtig. Bei einer Modernisierung können dem Hauseigentümer Auflagen gemacht werden. So können unnötige oder kostenintensive Umbauten verhindert werden, beispielsweise der Einbau eines Aufzuges oder die völlige Umgestaltung der Wohnungsgrundrisse.

Der Schöneberger Baustadtrat Uwe Saager (SPD) ist neugierig, wie sich diese Maßnahme für die »Insel« auswirken könnte. Er hofft vor allem auf den »sozialpsychologischen Effekt«. Denn damit habe der Bezirk die Möglichkeit, eine gewisse Kontrolle auf den Wohnungsmarkt auszuüben. Hauseigentümer könnten nicht mehr ganz so eigenmächtig entscheiden, wie ihr Eigentum umzugestalten sei. Zur Steuerung der Bau- und Mietpreisentwicklung gebe es keine anderen Instrumente mehr als den Milieuschutz, so Saager. Die Durchsetzung dieser Verordnung sei ein »Schwimmen gegen den Strom«, meint der Stadtrat.

Wenn die Schöneberger BVV in Kürze einen Aufstellungsbeschluß für den Milieuschutz gefaßt haben wird, hat das für die Bautätigkeit auf der »Insel« sofort Auswirkungen: Die Genehmigungen von Altbaumodernisierungen, die zu einer starken Verteuerung der Mieten führen, können dann zurückgestellt werden, zunächst für ein Jahr. Endgültig entschieden werden kann über solche Modernisierungen allerdings erst, wenn die Milieuschutzverordnung durch den Senat erlassen wurde. Das könnte aber ein Signal sein, auch in anderen Bezirken von diesem planungsrechtlichen Instrument Gebrauch zu machen, um Bodenspekulationen und unkontrollierter Mietpreiserhöhung entgegenzuwirken. Baustadtrat Saager meint jedenfalls, alles sei besser, als bei der momentanen Entwicklung die Hände in den Schoß zu legen. Regine Lassen

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