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Milchskandal in ChinaBio-Produkte für Chinas Elite

Funktionäre gehören im Milchskandal nicht zum gefährdeten Personenkreis. Chinas Durchschnittsbevölkerung ist empört über die "gesunde Extrawurst" für Politiker.

Essen ohne Schadstoffe für chinesische Politiker - auch schon für Mao Tse-Tung. Bild: dpa

PEKING ap Tausende Eltern in China machen sich nach dem jüngsten Milchskandal Sorgen um die Gesundheit ihres Nachwuchses, mehr als 50.000 Kinder sind erkrankt - doch an der politischen Elite des Landes geht die Gesundheitsgefahr in sicherem Abstand vorüber. Hochrangige Funktionäre und ihre Familienangehörigen werden nur mit den besten Lebensmitteln versorgt: hormonfreies Rindfleisch aus der Inneren Mongolei, biologisch angebauter Tee aus Tibet und garantiert schadstofffreier Reis.

Zu verdanken haben die Politiker diese kulinarischen Privilegien dem Zentrum für die Lieferung besonderer Lebensmittel für die Zentralregierung im Staatsrat, das sie regelmäßig mit hochwertigen und streng kontrollierten Bio-Lebensmittel versorgt. Die Durchschnittsbevölkerung wird dagegen immer wieder mit neuen Nahrungsmittelskandalen konfrontiert, von den Rückständen gesundheitsschädlicher Pestizide in Gemüse über krebserregende Chemikalien in Fisch bis hin zur potenziell tödlichen Babynahrung.

Nicht erst seit der Beimischung der Chemikalie Melamin in Milchprodukte ist die Bevölkerung beim Kauf von Lebensmitteln verunsichert. Und die Menschen sind vor allem wütend darüber, dass die Elite von ihren Problemen nicht betroffen ist. "Lebensmittelsicherheit ist für die Kinder und Familien von Regierungsbeamten von oberster Priorität. Haben normale Bürger weniger Recht auf sichere Nahrung?", fragt Zhong Lixun, die ihren sieben Monate alten Enkel mit Säuglingsmilch füttert, nachdem der Junge in einem Pekinger Krankenhaus auf mögliche Nierensteine untersucht wurde.

Wie gefährlich Essen in China sein kann, darauf hat das Zentrum für Lebensmittellieferungen in der Vergangenheit offen hingewiesen: "Wir alle wissen, dass viele Produktionsanlagen große Mengen von Kunstdünger und Pestiziden verwenden. Üblicherweise werden Antibiotika und Hormone in der Vieh- und Geflügelzucht eingesetzt", erklärte Direktorin Zhu Yonglan in einer in den vergangenen Monaten auf der Website des Zentrums veröffentlichten Rede. "Selbstverständlich ist das gesundheitsschädlich für den Konsumenten." Zhus Rede verbreitete sich in den vergangenen Wochen wie ein Lauffeuer unter Bloggern und in Internetforen, und die Wut darüber, dass führende Funktionäre bessere Lebensmittel erhielten, war groß.

Dabei erfreuen sich chinesische Regierungsbeamte schon seit vielen Jahren am Genuss von erlesenen Speisen und Getränken, so wie einst Staatsgründer Mao Tse-Tung. Früher lieferten Bauern feinste Zutaten für verschwenderische kaiserliche Festmahle. Das heutige Zentrum für die Lieferung besonderer Lebensmittel wurde 2004 gegründet. Über die Kunden ist wenig bekannt - vermutlich sind es mehrere hundert hochrangige Funktionäre, ihre Familien und pensionierte Politiker.

Lebensmittel, die höchsten Standards genügen, erhalten das Qualitätssiegel "Nation A", was soviel bedeutet wie "Top-Qualität", "das Allerbeste", wie es auf der Website des Zentrums heißt. Diese Produkte sind ausschließlich für Chinas Funktionäre bestimmt und werden nicht für den allgemeinen Verbrauchermarkt freigegeben, wie ein Mitarbeiter erklärt.

Auf der Suche nach den Lieferanten solcher Spitzenqualität lässt das Zentrum das gesamte Land durchkämmen. Zu den gesuchten Produkten gehören Fisch aus der Provinz Hubei, Tee aus den Bergen der Provinz Yunnan sowie Rind- und Hammelfleisch aus der mongolischen Steppe, wie es in Zhus Rede hieß. Der Reis für die Elite des Landes kommt teilweise aus dem Nordosten des Landes. "Es gibt nur einen kleinen Ertrag. Der Reis schmeckt sehr gut. Und er ist nicht genmanipuliert", erklärt Verkaufsleiter Wu Honghua des Bio-Lebensmittelherstellers Chifeng Heiyupaoi Organic Agropastoral Development.

Laut Wu geht 90 Prozent des Reises an das Beidaihe-Sanatorium, ein Seebad für pensionierte Parteifunktionäre. Der Rest wird auf dem Markt für umgerechnet 2,80 Euro pro Pfund verkauft. Der Preis ist damit fünf Mal höher als für normalen Bio-Reis und 15-mal höher als für gewöhnlichen Reis.

Wer bei Milchprodukten wegen des Melamin-Skandals inzwischen auf Nummer sicher gehen will, kauft eine Marke, die von den Rückrufaktionen bislang nicht betroffen war: Die Firma Sanyuan wirbt stolz damit, dass ihre Milch bei Staatsbanketten in der Großen Halle des Volkes verwendet wird. Der Umsatz hat sich dem Unternehmen zufolge verdreifacht - ohwohl der Preis für einen Liter Milch mit umgerechnet 1,15 Euro um 25 Prozent über dem für andere Milch-Marken liegt.

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2 Kommentare

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  • H
    haatee

    Der Trend zu ökologischem Anbau setzt sich aber immer weiter durch. Gerade in den Städten achten viele Mittelstands-Chinesen stark darauf, was sie essen, woher es kommt oder kaufen direkt Importprodukte. Und das nicht erst seit dem Milchpulvervorfall. Mittlerweile gibt es auch Restaurants, die garantieren, keinen Geschmacksverstärker zu verwenden. Diese sind natürlich auch teurer, weil sie mehr Rohstoffe benötigen.

  • M
    manfred (56)

    Damit ist China dem Westniveau wieder einen Schritt nähergekommen: Bio, Sekt und Kaviar für die Eliten, Sarrazins Hartz-IV-Diät für das Prekariat.