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MilchpreiseMilch bald knapp

Mancher Landwirt bekommt nur noch 18 Cent für den Liter Milch. Demnächst könnte es passieren, dass sie die Milch wegschütten, anstatt sie bei der Molkerei abzuliefern.

Es gibt zu viel Milch. Bild: dpa

Nein, offiziell redet in diesen Tagen niemand davon, dass die Bauern im September 2009 streiken wollen, die Milch knapp und die Kühlregale im Supermarkt leer werden sollen. Reden könnte teuer werden.

Am heutigen Mittwoch entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf, ob der Aufruf des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter zu einem Lieferboykott Mitte letzten Jahres rechtswidrig war und der Wiederholungsfall mit bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Und bisher sieht es so aus, als fiele das Urteil gegen die Bauern aus. Sie werden kurz vor der Bundestagswahl dennoch kämpfen für höhere Milchpreise.

Wer auf dem Lande nachfragt, hört derzeit Sätze wie: "Bauern sind autonom und machen, was sie wollen." Oder: "Die Bauern sind nicht mehr unter Kontrolle zu halten." Heißt: Rechnet mit allem. Es soll so aussehen, als ergebe es sich einfach, dass sie die Milch verfüttern oder wegkippen, statt sie bei der Molkerei abzuliefern.

Die Bauern sehen keine andere Chance. Allein im letzten halben Jahr haben 3.500 Milchbauern ihren Betrieb dichtgemacht. Die Lage auf dem Dorf ist nicht besser geworden im letzten Jahr, im Gegenteil: Die Bauern bekommen derzeit noch weniger Geld für die Milch als zu Zeiten des Milchstreiks 2008. In Norddeutschland sind das für den Liter zum Beispiel 18 Cent. Diese decken noch nicht mal die Kosten für Futter, Stall, Hof.

Für Romuald Schaber, den Vorsitzenden vom Milchviehhalter-Verband, ist das Problem klar: "Es gibt deutlich zu viel Milch auf dem Markt." Darum hat er die deutsche CSU-Agrarministerin Ilse Aigner und ihre EU-Kollegen aufgerufen, die geplante Erhöhung der Milchquote zurückzunehmen. Mit der Milchquote schreibt Brüssel den Bauern seit 1984 vor, wie viel sie höchstens produzieren dürfen. Seit einiger Zeit wird die Quote aber Schritt für Schritt erhöht. 2015 soll sie ganz wegfallen. Die Preise verfallen dann erst recht, fürchtet Schaber. Aigner hält an der Quotenabschaffung trotzdem fest.

Sie forderte vor zwei Tagen im Agrarministerrat in Brüssel allerdings, die Milchquote einzufrieren. Frankreich, Österreich, Ungarn, die Slowakei und Portugal unterstützten sie. Was hat der Streik letztes Jahr also gebracht? Zunächst Ärger mit dem Bundeskartellamt. Die Discounter hoben - wenn auch nur kurzzeitig - die Preise wieder an. Und die Bonner Wettbewerbshüter sahen schon durch den Streikaufruf eine "rechtswidrige unbillige Behandlung des Marktes".

Der Milchviehhalter-Verband legte beim zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf zwar Beschwerde ein. Der Vorsitzende Richter Jürgen Kühnen hat aber schon erklärt, dass sich Preise "im Wettbewerb und nicht durch kollektiven Druck" bilden. Der Verband sei zudem keine "gewerkschaftsähnliche Gruppe", ihm stehe kein Streikrecht zu.

Romuald Schaber meint, der Streik habe "viel Rückhalt in der Bevölkerung" gebracht und "auch die Zusage von Politikern, zu helfen." Diese hätten sich "nur nicht dran gehalten". Nun rumore es allerorten. Am Donnerstag werden Bauern aus Europa in Paris erst einmal demonstrieren, ganz offiziell.

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9 Kommentare

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  • JO
    Jenny O.

    Noch eine Anmerkung.Wollte ich eigentlich zuerst schreiben(-:

     

    Das der Richter meint, den Bauern den Streik zu verbieten zu können, ist schon die Krönung Deluxe.

    Welche Möglichkeiten haben die Produzenten denn

    sonst noch, sich der geballten Marktmacht der

    Großproduzenten und Großhändler entgegenzustellen?

    Rechtssprechung? LACH

     

    Auserdem ist Rechtssprechung nichts als kodifizierte Meinung.

  • JO
    Jenny O.

    "...dass sich Preise "im Wettbewerb und nicht durch kollektiven Druck" bilden. Der Verband sei zudem keine "gewerkschaftsähnliche Gruppe", ihm stehe kein Streikrecht zu."

     

    Ob (landwirtschaftliche) Produkte subventioniert werden sollten bzw. nicht -kann man noch ewig

    darüber labern. Gesetze, die eine umweltverträgliche

    tiergerechte Produktionsweise verbindlich für ALLE vorschreiben, sind jedenfalls vonnöten.

  • JK
    Juergen K.

    Wer CDU und SPD wählt muss sich nicht wundern, wenn Monopolmolkereien wie BAUER subventioniert werden.

    --

    Diese legen dann einfach die Preise fest, wie sie wollen.

    --

    Ist genauso wie beim Hartz4 Lohndumping.

    --

    Selbst gewählt und selbst bezahlt.

    --

    Und der Bayer im Osten mit seinen 24 000 Rindern ist auch schon drin.

    --

    Wählen Sie DPD,

    die Dumping Parteien Deutschlands.

  • SK
    Steffen K.

    Nunja, dass dem, bis zum erbersten subventionierten, Agrarapparat der EU irgendwann die Luft ausgeht liegt wohl auf der Hand.

    Wie wärs wenn wir endlich mal auf die Profuktion von Biogas umstellen, anstatt etwas zu subventionieren, das strategisch kein Licht sieht? Schrittweiser Abbau von Agrarzöllen und Umstrukturierung der Landwirtschaft. Ich bin persönlich lieber von Kartoffeln abhängig, als von Gas, das entweder aus der Türkei oder Russland kommt. Wo man uns dann zu Weihnachten den Gashahn zudreht, weil in "sonstwo" mal wieder politisch die Hütte brennt.

  • T
    Thomas

    Passend zum Artikel gibt es eine neue Kampagne:

    http://www.animals-angels.de/%22Milch%22kuh-Kampagne-2009,1039.html

     

    ""Milch"kuh Kampagne 2009

    Immer wieder begegnen wir Kühen. Sie sind ausgemergelt, schwach, müde und oft verletzt. Nach lebenslanger Ausbeutung sehen wir sie auf Transportern, in Sammelstellen, auf Märkten und in Schlachthöfen. ...

    Es ist Zeit zum Handeln.

    Pünktlich zum Milchgipfel 2009 in Berlin starten wir unsere Kampagne - Alle reden von der Milch. Wir reden von der Kuh."

  • A
    Anne

    Übersehen wird immer wieder die Rolle der Wirtschaft zwischen Bauer und Lidl (z.B.): die Molkereien, hier werden Bauern, die sich gegen den Preis aussprechen, abgewiesen; Absprachen getroffen zwecks Preisdrückerei

    Liebe TAZ-Journalisten recherchiert doch mal wieder, einen Latte Machiatto gibts ja nun auch in jedem Landbäcker, also raus und ran an die Strukturen.

  • W
    webmax

    Wer weiß eigentlich, warum Bauern Milch herstellen, und warum diese vom Staat als "gesund" propagiert wird? (Das ist sie nämlich gar nicht, erst enzymaztisch veränderte Milchprodukte wie Yoghurt, Käse etc, sind es; der Rohstoff fault im Darm)

     

    Weil auch Bauern monatliche Einnahmen brauchen, und nicht nur einmal im HJahr von der Ernte !

    Und das sollte man eigentlich regional und geossenschaftlich regeln können, oder?

  • R
    Renegade

    Und, hat man es im Supermarkt gemerkt, dass 3500 Betriebe dicht gemacht haben?

     

    Wenn zu viel Milch produziert wird, verfällt der Preis und Betriebe müssen so lange geschlossen werden, bis nur noch so viel Milch produziert wird, um den Bedarf zu decken.

     

    Was soll denn sonst passieren? Sollen die Milchpreise künstlich hochgesetzt werden? Dann produzieren die Bauern noch mehr. Und danach? Am besten, die Supermarktketten werden gezwungen, eine bestimmte Menge an Milch zu kaufen und sie dann selbst wegschmeißen. Da hat man immerhin den Milchspeditionen noch was Gutes getan.

     

    Oder noch besser: Wir subventionieren den Milchexport! Dann können wir richtig schön die dritte Welt oder unsere östlichen Nachbarn dumpen.

  • M
    Morgenluft

    Sogenannte "Milchbauern" jammern korporativ über zuwenig Geld - niemand fragt, was die reale Erzeugerin, die Kuh, für Ihr Produkt bekommt.

     

    Einen Kopfschuss vom Schlachter, der sich dann drüber beschwert, dass die Kuhknochen kaum noch Calcium beinhalten.

     

    Bauern, verfüttert die Milch an die Schweine und lasst die Tiere frei !