Milchbauernchef über Dumpingpreise: "Wir brauchen harte Regeln"
Die Viehhalter könnten ihre Kosten trotz gestiegener Preise nicht decken, sagt der Chef des Milchbauernverbands BDM, Romuald Schaber. Der Handel solle mehr für die Milch zahlen.
taz: Herr Schaber, die Bauern bekommen heute sechs bis acht Cent mehr für ihre Milch als vor einem Jahr. Ist damit das Problem Dumpingpreise gelöst?
Romuald Schaber: Nein, die Preise steigen nicht genug. Wir haben in Deutschland zwar die Marke von 30 Cent pro Kilogramm Milch geknackt. Wir brauchen aber mindestens 40 Cent, um unsere Kosten zu decken. Das zeigen beispielsweise Daten der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. Wenn morgen der Euro wieder stärker wird, werden wir weniger exportieren und die Preise geraten erneut unter Druck.
Was sagen Sie Hartz-IV-Empfängern, die bei höheren Milchpreisen noch mehr Geld allein für ihre Ernährung ausgeben müssten?
Romuald Schaber, 53, ist Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Er bewirtschaftet im Allgäu einen 35 Hektar großen Grünlandbetrieb mit vierzig Kühen
So viel mehr müssten die Leute nicht zahlen. Der Handel gibt die niedrigen Preise bis jetzt nur bei Trinkmilch und Butter an die Verbraucher weiter. Diese Produkte würden dann vielleicht ein bisschen teurer. Aber die Preise für Joghurt und Käse sind auch jetzt immer schön oben geblieben. Da würde es wohl kaum einen Unterschied für die Verbraucher geben.
Wo soll dann das Extra-Geld für die Bauern herkommen?
Vom Einzelhandel. Er ist das Glied in der Kette, das am meisten an der Milch verdient.
Sind höhere Milchpreise auch im Interesse des Verbrauchers?
Wenn die Milchpreise niedrig sind, geraten vor allem Familienbetriebe unter Druck. Sie bieten viele Arbeitsplätze. Und sie denken wie Bauern, nicht wie Investoren, die nur die nächste Halbjahresbilanz interessiert. Bauern denken über Generationen, weil sie ihren Betrieb ihren Kindern übergeben wollen. Deshalb beuten sie den Boden nicht aus und auch nicht die Tiere. Deshalb sind auch viele von ihnen gegen Gentechnik - anders als Agrarkonzerne.
Wie sollen die höheren Preise durchgesetzt werden?
Die Bauern müssen Erzeugergemeinschaften gründen, um Marktmacht zu erhalten. Die können dann festlegen, dass ihre Mitglieder nur so viel produzieren, dass die Preise nicht verfallen. Diese Entscheidungen müssen von der Politik für alle Produzenten für verbindlich erklärt werden.
Das ist aber nicht sehr demokratisch.
Wenn die Zusammenschlüsse freiwillig sind, werden nicht genügend Bauern mitmachen. Denn wenn einer weniger produziert, werden andere einfach mehr produzieren. Wir sind als Rohstoffproduzenten austauschbar. Da geht es wirklich nur mit harten Regeln.
Was legitimiert Sie zu solchen Forderungen? Anders als der Deutsche Bauernverband vertreten Sie nur eine Minderheit der Landwirte.
Der Bauernverband geht einen anderen Weg. Er will die Molkereien stärken, damit sie gegenüber dem Einzelhandel höhere Preise durchsetzen können. Aber die Molkereien haben kaum Interesse an einer niedrigeren Milchmenge. Wir vertreten nur ein Drittel der schätzungsweise etwa 80.000 Milchbauern in Deutschland, doch die Mehrheit steht hinter unseren Ansätzen. Laut Umfragen wollen 85 Prozent der Bauern eine Steuerung der Produktionsmenge.
Warum treten diese trotzdem nicht Ihrem Verband bei?
Die Verunsicherungskampagne des Bauernverbands führt dazu, dass nicht alle Bauern konsequent dem BDM beitreten. Sie redet ihnen ein: Mengensteuerung funktioniert nicht und ist nicht durchsetzbar.
Sie haben gestreikt und Kampagnen initiiert. Dennoch lehnt die Politik Ihre Vorschläge ab, immer mehr Höfe müssen aufgeben. Brauchen Sie realistischere Ziele?
Die Leute in Brüssel haben panische Angst davor, dass die Preise wieder so stark sinken wie 2009 und erneut Protest ausbricht. Doch mit den bisherigen Vorschlägen der Europäischen Union kann sich das Szenario von 2009 jederzeit wiederholen. Aber im Agrarausschuss des EU-Parlaments wurde klar eine Mengensteuerung gefordert. Da tut sich schon etwas. Es dauert nur sehr lange.
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