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Mikrochips in russischen RaketenEU sanktioniert belarussische Halbleiterfirma

Nach Recherchen von taz und belarussischen Jour­na­lis­t*in­nen handelt die EU gegen einen Chiphersteller. Dessen Produkte fanden sich in ukrainischen Kampfzonen.

Makroaufnahme einer Leiterplatte (Symboldbild) Foto: Michael /imago

Berlin taz | Das belarussische Unternehmen Integral ist einer der großen Player in der belarussischen Halbleiterindustrie. Integral stellt Schaltkreise und Mikroelektronik her, offiziell vor allem für die Medizintechnik. Doch internationale Drohnenexperten haben Mikrochips von Integral immer wieder in russischen Raketen gefunden, die auf die Ukraine abgefeuert wurden.

Im Januar hatte die taz zusammen mit dem belarussischen Recherchekollektiv Belarussian Investigative Center (BIC) berichtet, dass Integral wichtige Rohstoffe für seine Produktion aus Deutschland bezieht. Dazu gehört hochprozentige Salzsäure, die von der deutschen Firma Wacker Chemie hergestellt und von der nordrhein-westfälischen Firma UrSeCo vermutlich über Zwischenhändler nach Belarus geliefert wurde.

Der Handel mit Integral war zu diesem Zeitpunkt nicht sanktioniert. Der Export von hochprozentiger Salzsäure allerdings schon. Die deutschen Firmen verstießen damit also womöglich gegen geltende EU-Sanktionen.

Nun reagierte die EU: Mit dem kürzlich verabschiedeten 16. Sanktionspaket wird auch Integral sanktioniert. In der Begründung heißt es, dass Produkte von Integral in Kampfgebieten in der Ukraine gefunden wurden. Halbleiter seien für Russlands Kriegsanstrengungen von entscheidender Bedeutung. Russland habe bereits 350 Millionen US-Dollar in die Firma JSC Integral investiert. „Somit unterstützt JSC Integral Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben und bedrohen“, heißt es in der Sanktionsbegründung. Außerdem unterstütze Integral die Russische Föderation und profitiere von ihr.

Keine europäische Firma darf an Integral verkaufen

Seit Ende März wird Integral auch auf einer weiteren EU-Sanktionsliste aufgeführt, die speziell auf die Lage in Belarus und dessen Beteiligung am Krieg gegen die Ukraine ausgerichtet ist. Das staatseigene Unternehmen Integral unterstütze das Regime von Alexander Lukaschenko durch die Herstellung von Mikroelektronik, die für die Verteidigungsindustrie von entscheidender Bedeutung sei, heißt es in der Begründung.

Damit ist es europäischen Firmen nun endgültig verboten, Rohstoffe und Waren an das Unternehmen Integral zu verkaufen.

Allerdings bemühte sich der deutsche Chemielieferant UrSeCo Handels GmbH & Co. KG auch bisher schon, seinen Handel mit Integral zu verschleiern. Nach den Recherchen der taz und des BIC schickt UrSeCo die Salzsäure seit 2022 nicht mehr direkt nach Belarus und Russland, sondern über Polen und die Türkei nach Kasachstan, von wo aus die deutsche Salzsäure weitergeschickt wurde. Das geht aus internen Zolldaten hervor, die dem BIC und der taz vorliegen. Zwischenhändler aus Polen bestätigten dem BIC außerdem, wie einfach die europäischen Sanktionen umgangen werden können, wenn die Lieferketten nur diffus genug sind.

Dieses Modell dürfte illegal sein. Europäische Unternehmen sind durch die Sanktionen gezwungen, dafür zu sorgen, dass ihre Ware auch nicht über Zwischenstationen in Russland oder Belarus landet. Gegenüber der taz hatte UrSeCo bestritten, Sanktionen zu umgehen. Man arbeite ausschließlich in Übereinstimmung mit der internationalen und nationalen Gesetzgebung.

Wacker Chemie, das Münchner Unternehmen, das die Salzsäure hergestellt hat, die bei Integral gelandet ist, gab sich auf taz-Anfrage zu unserem ersten Bericht im Januar überrascht. UrSeCo sei bisher „nicht kritisch eingestuft worden“. Wacker erklärte, den Fall zu prüfen. Mittlerweile teilt Wacker Chemie mit, dass es die Geschäftsbeziehungen zu Urseco eingestellt habe, da das Unternehmen nicht zweifelsfrei habe belegen können, wie und wo Wackers Produkte am Ende Verwendung gefunden hätten.

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