Migration: Flüchtlingslager laufen über
Die Aufnahmeeinrichtungen in Hamburg sind wegen der steigenden Flüchtlingszahlen überfüllt. Liberale wollen Gipfelkonferenz, Grüne Kreuzfahrtschiffe zum Wohnen.
HAMBURG taz | Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge nach Hamburg – die meisten von ihnen fliehen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder Serbien. Doch in der Hansestadt werden die Betten knapp. Die Erstaufnahme-Einrichtungen sind überfüllt, weil die Stadt Hamburg nicht damit hinterher kommt, Wohnungen zu finden, in denen Flüchtlinge mittelfristig bleiben können – obwohl die steigenden Flüchtlingszahlen ein lange bekanntes Phänomen sind. „Längst überfällig“ sei ein Gipfel zur Flüchtlingshilfe, der alle Akteure aus Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammenbringt, findet die integrationspolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion Martina Kaesbach.
„Die Lage in den Quartieren zur Erstunterbringung spitzt sich zu“, warnt Kaesbach. Zwar plant die Innenbehörde bereits weitere Standorte für die zentrale Erstaufnahme in Hamburg mit mehreren hundert Plätzen, doch aktuell sind die vier Einrichtungen an der Harburger Poststraße, in Groß Borstel, Altona und in Mecklenburg Vorpommern stark überbelegt. Mehrere Notplätze in Nebengebäuden, Containern und sogar Zelten wurden eingerichtet, da 126 Menschen zu viel in den Einrichtungen leben, sagt die Sprecherin der Innenbehörde, Swantje Glismann.
Für die Flüchtlinge bedeute diese Überbelegung in den Unterkünften eine zusätzliche Belastung, sagt die FDP-Politikerin Kaesbach. Sie führe zu Konflikten und erschwere die Integration der Flüchtlinge. Eigentlich sollen Flüchtlinge nur drei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung bleiben und dann in eine Folgeunterkunft vermittelt werden. Doch hier hakt es in Hamburg.
Die Flüchtlinge stecken in den zentralen Erstaufnahmestellen im Stau. Sie können die Einrichtungen nicht verlassen, weil es nicht genügend Plätze in Folgeeinrichtungen gibt. Bis zum Ende des Jahres möchte die Sozialbehörde insgesamt rund 10.000 Plätze für Flüchtlinge bereitstellen. „Rund 4000 Plätze fehlen uns dann nach dem jetzigen Planungsstand noch“, sagt die Behördensprecherin Nicole Serocka.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Asylanträge deutschlandweit gestiegen.
Im Jahr 2012 baten bundesweit rund 77.700 Flüchtlinge um Asyl, 2013 bereits 127.000. Bis zum Juni 2014 waren es 77.100 Menschen.
In Bremen stieg die Zahl von 721 in 2012 auf rund 1.200 Asylanträge in 2013. Im laufenden Jahr stellten 800 Menschen einen Antrag.
In Hamburg stellten 2012 rund 2.200, im Jahr 2013 rund 3.600 und 2014 schon knapp 2.400 Menschen einen Asylantrag.
In Niedersachsen baten 2012 knapp 7.500 Menschen um Asyl, 2013 waren es rund 11.900 Asylbewerber und 2014 bisher 7.700.
In Schleswig-Holstein wurden in 2012 rund 2.500, in 2013 knapp 4.100 und bis Juni 2014 rund 2.500 Anträge gestellt.
Die bestehenden Plätze sind bereits jetzt zu 97 Prozent ausgelastet und damit voll. Denn die Belegung der Unterkünfte hänge von der Struktur der Bewohner ab und könne nicht immer exakt auf dem Papier geplant werden, sagt Serocka. „Wenn zum Beispiel eine fünfköpfige Familie einreist, bringen wir diese auch in Wohneinheiten unter, die für sechs Menschen gedacht sind“, erläutert die Sprecherin.
Die Sozial und die Innenbehörde suchen gemeinsam mit den hamburgischen Bezirken nach weiteren Unterkünften. Dabei stoßen sie auf vielfältige Probleme: Die Knappheit an geeigneten Grundstücken in der Großstadt erschwert die Suche. Immer wieder protestieren Anwohner gegen Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft.
Kaesbach kritisiert die Bemühungen des Senats dennoch als zu zögerlich und fordert den SPD-Senat auf umzusteuern. „Durch eine Plattform zur Vermittlung in privaten Wohnraum soll der Bedarf an Wohnraum für Flüchtlinge schneller als bisher gedeckt werden“, schlägt sie vor. So könne auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge besser eingegangen werden.
Auch die Bürgerschaftsfraktion der Grünen fürchtet einen „Kapazitäts-Kollaps“ und fordert mehr Kreativität in der Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge und Obdachlose. Eine Option für neue Notunterkünfte seien „ausgemusterte Kreuzfahrtschiffe“, findet die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Fegebank. „Dies wäre eine pragmatische Zwischenlösung, die der Senat ernsthaft prüfen sollte.“
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