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Migration und BildungChancengleichheit nicht in Sicht

Trotz der Sonntagsreden über Integration: MigrantInnen werden im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt noch immer deutlich benachteiligt, zeigt ein neuer Bericht.

Angela Merkel, ohne Überblick, während eines Besuches im BWK BildungsWerk in Berlin-Kreuzberg. Bild: ap

Den entscheidenden Satz sagte die Integrationsbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer (CDU), ganz am Ende: "In diesem Jahrzehnt wird sich entscheiden, ob wir langfristig den sozialen Zusammenhalt sichern können." Böhmer stellte am gestrigen Mittwoch den achten Bericht zum Stand der Integration von MigrantInnen in Deutschland vor. Und gemessen an den in Zahlen gegossenen Defiziten steht es um das nächste Jahrzehnt schlecht. Derzeit werden die Chancen einer ganze Generation von MigrantInnen verspielt.

Ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren wachsen in Familien auf, die nach 1950 eingewandert sind. Sie sind im deutschen Bildungssystem deutlich benachteiligt: 43 Prozent der 15- bis 19-jährigen MigrantInnen hatten 2008 einen Hauptschulabschluss, in der alteingesessenen Bevölkerung waren es 31 Prozent. Bei ihnen ist der Anteil der höheren Bildungsabschlüsse entsprechend weiter verbreitet. 13,3 Prozent der MigrantInnen hatten keinen Abschluss, bei ihren Altersgenossen deutscher Herkunft sind es 7 Prozent.

Die Benachteiligung setzt sich fort: Drei Monate nach Schulabschluss haben im Schnitt die Hälfte eines Jahrganges einen Ausbildungsplatz, bei SchulabgängerInnen mit Migrationshintergrund dauert es 17 Monate. Nur ein Drittel der Jugendlichen ohne deutschen Pass insgesamt hatten einen Ausbildungsplatz. Auf dem Arbeitsmarkt sieht es ähnlich schlecht aus: Von den 15,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund waren 2008 12,4 Prozent arbeitslos, das ist fast doppelt so viel wie beim Rest der Bevölkerung.

Trotzdem gibt es auf niedrigem Niveau auch gute Nachrichten, denn tatsächlich sankt der Anteil der Hauptschulsabsolventen bei Menschen mit Migrationshintergrund von 2005 bis 2008 um 4 Prozent, bei den mittleren Abschlüssen und der allgemeinen Hochschulreife ist ein Anstieg von jeweils fast einem Prozent zu verzeichnen.

Der Bericht ist allerdings mehr als ein Zahlenwerk, er untersucht die gesamte Lebenswelt von MigrantInnen. Als solche werden sie in Deutschland zwar auch in der zweiten Generation noch offiziell bezeichnet, scheinen aber bestens verwurzelt zu sein: Sie engagieren sich genauso häufig ehrenamtlich und erwerben ebenso häufig Wohneigentum wie die deutschstämmige Bevölkerung.

Ursache für den Rückstand von MigrantInnen in der Bildung sah Böhmer in mangelnden Sprachkenntnissen und der soziale Herkunft, Letzteres ist auch in der Gesamtbevölkerung zu beobachten. Als Gegenrezept nannte Böhmer eine bessere individuelle Förderung, die bereits im Kindergarten beginnen soll -weshalb sie ein verpflichtendes, beitragsfreies Kindergartenjahr vor der Einschulung fordert.

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5 Kommentare

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  • S
    Stefan

    @ Hagen

    Ich habe auch feststellen müssen, dass sachliche Erwiderungen nicht veröffentlicht werden. Wenn man aber daraufhin die Sachebene verlässt und TAZ und Autor beschimpft, dann wird das gerne veröffentlicht. Somit wäre der Beweis erbracht, dass "Gegner" zu keiner sachlichen Auseinandersetzung in der Lage sind.

    Nach dem Motto "so reagieren die Herrschaften auf einen sachlichen Artikel".

    Vielleicht wird dies ja auch wieder Opfer einer technischen Panne, weil ich der TAZ eben keine Stasi-Methoden vorwerfe.

  • H
    Hagen

    Wie üblich, werden meine Kommentare nicht veröffentlicht. Frage: Sid diese Veröffentlichungen

    kontepflichtig? Wenn ja, so teilen Sie mir bitte mit, was es kostet.

  • V
    vic

    Es muss ein Ende haben mit der dummen Angewohnheit, Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, Migranten zu nennen.

    Sie sind nicht imigriert und sie migrieren auch nicht. Sie waren schon immer hier und sie wandern auch nicht rum. Sie sind sesshaft wie alle anderen Deutschen, wenn wir sie denn lassen.

  • FV
    franz von hahn

    Komisch, dass ishc trotz der ganzen Sonntagsreden noch nicht viel getan hat, in den Statistieken.

     

    Wahrlich, eine merkwürdige Begebenheit, wenn man bedenkt, dass Frau Merkel schon 2006 den ersten Integrationsgipfel einbrufen hat und dass das Thema auch schon mehrere Jahre in der öffentlichen Debatte angekommen ist. Ich hätte auch gedacht, dass man so ein paar hunderttausend Lebensläufe in diesen vier Jahren komplett umkrempeln kann. Anscheinend geht das also doch nicht so schnell, oder wie muss man das jetzt verstehen?

  • A
    Amos

    Warum grinst diese Tussi eigentlich ständig, wenn die Kamera nahe rückt. Glaubt sie zu Wissen, dass man sie noch nicht durchschaut hat? Ich kann mir dieses ständige falsche Grinsen sonst nicht erklären. Kann mir da jemand auf die Sprünge helfen und mir sagen was seit ihrer Anwesenheitszeit positives geschehen ist?