Migranten sind für die Polizei oft zu klein: Kleiner, als die Polizei erlaubt
Die Polizei braucht mehr Migranten in den eigenen Reihen. Doch die haben oft nicht die vorgeschriebene Mindestgröße. Man sollte das Kriterium ändern, fordert eine SPD-Abgeordnete.
Die Polizei bemüht sich um Migranten in den eigenen Reihen: Sie fordert sie auf, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Besonders gefragt seien Berliner mit muttersprachlichen Kenntnissen in Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch und Vietnamesisch, heißt es bei der Polizei. Doch gleichzeitig setzt die Behörde eine hohe Hürde: Bewerberinnen für den Polizeivollzugsdienst müssen mindestens 1,60 Meter messen. Männer sollen nicht kleiner als 1,65 Meter sein.
Daraus ergibt sich ein Problem: Wer aus Fernost oder Südeuropa stammt, ist häufig deutlich kleiner als für den Polizeidienst vorgeschrieben. "Weit über die Hälfte der Frauen aus Vietnam und China sind kleiner als 1,60 Meter", sagt die gebürtige Vietnamesin Thuy Nonnemann (1,52 Meter) vom Migrationsrat. "Bei den Männern schaffen es einige auch nicht über 1,65 Meter."
Polizeisprecher Guido Busch (1,82 Meter) begründet die Mindestkörpergröße für Polizisten mit dem Dienst auf der Straße. "Auch Frauen stehen ja Gewalttätern gegenüber. Je kleiner die Polizistinnen sind, desto leichter hat es der Verbrecher." Für das Überwinden von Hindernissen sei die Körpergröße auch kein unwichtiges Kriterium. Generell bilde die Polizei im Vollzugsdienst nur Personal aus, das auch für den Dienst auf der Straße geeignet ist, "auch wenn viele Kollegen wie ich selbst Bürodienst versehen." Wer bei der Pressestelle Fragen von Journalisten beantwortet oder im Landeskriminalamt die Internetkriminalität bekämpft - sie alle haben meist eine Ausbildung im Vollzugsdienst absolviert und sind damit an die Mindestkörpergröße gebunden.
Nach den Kriterien der Polizei wären sowohl Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD, 1,58 Meter) als auch die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill (1,55 Meter) nicht für den Dienst tauglich. Die türkischstämmige Abgeordnete Radziwill hält das Ausschlusskriterium Körpergröße für "unsinnig, wenn das für sämtliche Polizeianwärter gilt, unabhängig davon, wo sie einmal Dienst tun". Die Vorschrift sei "wenig integrationsförderlich". Sie selbst habe in ihrem Berufsleben noch keine Nachteile aufgrund ihrer Körpergröße gehabt. "Will die Polizei Menschen aus Kulturkreisen gewinnen, in denen man nicht so groß ist wie in Mittel- und Nordeuropa, muss sie die Einstellungskriterien ändern", fordert Radziwill.
Die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben (1,59 Meter) findet es "gleichstellungspolitisch ungerecht", dass gerade für Frauen eine Hürde aufgestellt wird, die zahlreiche Bewerberinnen nicht erfüllen. "Männer unter 1,65 Metern gibt es hingegen sehr wenige", ist sich Senftleben sicher. Auch sie sagt, ihre Körpergröße habe bisher kaum ein Problem dargestellt. "Ich bin ja nicht klein, sondern nur niedrig. Ich kann mich bemerkbar machen."
Daniel Abbou (1,78 Meter), der Sprecher von Justizsenatorin Gisela von der Aue, ist ebenfalls überzeugt: "Autorität funktioniert nicht über Zentimeter. Unsere Senatorin kann sich trotz ihrer geringen Körpergröße als Chefin der Justizvollzugsbediensteten Respekt verschaffen."
Radziwill glaubt, dass es nicht nur das Ausschlusskriterium Körpergröße ist, das Migranten vom Polizeiberuf abhält. "Auch ohne diese Vorschrift würden sich Zuwanderer nicht in großer Zahl im öffentlichen Dienst bewerben", sagt sie. Solche Berufe hätten keine Tradition. "Türkische Abiturienten studieren vorzugsweise Betriebswirtschaft, Medizin oder Jura." Wer eine Ausbildung mache, werde Arzthelferin, Friseurin oder Sekretärin. "Für die Berufe dazwischen müssen wir noch werben, und das vor allem bei den Eltern."
Thuy Nonnemann von Migrationsrat bestätigt das für vietnamesische Jugendliche: "Sie streben in akademische und kaufmännische Berufe. Bei der Polizei gab es in den letzten Jahren auch Fälle von Mobbing gegen Frauen. Deshalb würde ich Migrantinnen auch nicht unbedingt raten, Polizistin zu werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!