Migranten in Deutschland: Umfeld wichtiger als Herkunft
Nicht ethnische Zugehörigkeit und Religion bestimmen die Identität der Einwanderer, sondern das Millieu, in dem sie hier leben. Das ergibt eine Befragung von 100 Migranten.
BERLIN taz Die 15 Millionen in Deutschland lebenden Einwanderer werden von ihrem Umfeld stärker geprägt als von ihrer Herkunft. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Meinungsforschungsinstitut Sinus am Dienstag vorgestellt hat. "Über diese Bevölkerungsgruppen gibt es bisher mehr Klischees als Erkenntnisse", sagte Sinus-Chef Bodo Flaig bei der Präsentation der Studie am Dienstag.
Ein Klischee, das widerlegt werden konnte: Religion und ethnische Zugehörigkeit sind für viele der MigrantInnen "letzten Endes nicht identitätsstiftend", wie es in der Studie heißt. "Insbesondere der Einfluss religiöser Traditionen wird oft überschätzt", sagte Flaig.
Die Meinungsforscher machen unterschiedliche Lebenswelten der Migranten aus, die sie "Milieus" nennen, etwa das "traditionelle Gastarbeitermilieu". In der Mehrheit der Milieus sei die Bereitschaft sehr stark, sich zu integrieren, andere wollte sich kaum in die Gesellschaft eingliedern. Die Forscher machen auch eine neue Elite unter den MigrantInnen aus, die tolerant und leistungsorientiert sei. Auf der anderen Seite stehen die Benachteiligten: entwurzelte Flüchtlinge ohne Perspektive. Oder die Unangepassten der zweiten Zuwanderergeneration, die sich den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft verweigerten.
Über alle Milieus hinweg seien sich die MigrantInnen in einem einig: Sie beklagten, dass die Mehrheitsgesellschaft sich kaum für sie interessiere.
Im überwiegenden Teil der Migranten-Milieus herrschen laut der Studie immer noch traditionelle Geschlechterrollen vor. Nur bei den gut ausgebildeten MigrantInnen habe sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau inzwischen als Wert durchgesetzt, heißt es. "Bildung bleibt der Schlüssel zur Integration", sagte Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, das die Studie in Auftrag gegeben hat.
Für die qualitative Studie wurden mehr als 100 Migranten aus der Türkei, Russland, Südeuropa, Kurden und Spätaussiedler in mehrstündigen Interviews befragt. 2008 soll eine deutschlandweit repräsentative Umfrage folgen.
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