: Mietvertrag ohne Wohnung
■ Hamburger Altbau-Mogul Conle kassiert gern mal Kaution und Miete, aber in die Wohnung läßt er die Mieter nur ungern Von Heike Haarhoff
Die Begründer der postmodernen Obdachlosigkeit haben Namen: Henning Conle, Altbau-Mogul und Besitzer von mehr als 2000 Hamburger Mietwohnungen, und die von ihm beauftragte Hamburger Maklerfirma Norde Immobilien GmbH haben mehrere Wohnungslose auf ihrem Gewissen, so die Erfahrung des Vereins Mieter helfen Mietern. Die geschäftstüchtigen Herren hätten in mehreren Fällen Mietverträge geschlossen sowie Kaution, Courtage und die erste Monatsmiete kassiert. Doch der Einzug in die Wohnung zum vereinbarten Termin sei den MieterInnen – unter fadenscheiniger Begründung – versagt geblieben.
Jüngstes Opfer dieser Machenschaften sind Anuschka K. und ihre beiden fünf- und siebenjährigen Kinder. Seit Anfang Juni stehen sie auf der Straße. Zu diesem Zeitpunkt hatte die 30jährige Kellnerin ihre Wohnung gekündigt. Denn sie hatte ja einen Mietvertrag für eine neue Wohnung in der Tasche: Zum 1. Mai wollte sie nach Barmbek ziehen, in ein Haus in der Grovestraße 17 – Eigentümer: Henning Conle, Makler: Norde.
Im April hatte Anuschka K. die Altbau-Wohnung aufgrund einer Zeitungsannonce der Norde Immobilien besichtigt. Wenige Tage später zahlte sie insgesamt mehr als 5000 Mark für Kaution, Courtage und die erste Monatsmiete und unterzeichnete den Mietvertrag mit der Henning Conle Grundstücksverwaltung, Duisburg, wirksam zum 1. Mai. Sie erhielt eine Kopie des Schriftstücks, auf dem die MieterInnen-Nummer bereits registriert ist: „Ein Beweis dafür, daß zumindest ein Mietvorvertrag zustande gekommen ist“, sagt Sylvia Sonnemann, Juristin bei Mieter helfen Mietern. Der Original-Vertrag, versicherte ein Norde-Mitarbeiter, werde ihr zugehen, sobald Conle unterschrieben hätte. Darauf wartet Anuschka K. bis heute.
Erst wurde ihr mitgeteilt, ihr Einzug verzögere sich wegen des Einbaus der Heizung, dann kamen ein Wasserrohrbruch und Fußbodenarbeiten dazwischen. Anuschka K. verlor die Geduld und vereinbarte mehrere Gesprächstermine mit dem Makler. Der aber erschien nie. Schließlich teilte ihr die Norde mit Schreiben vom 1. Juni mit, ihr „Angebot auf Abschluß eines Mietvertrags“ sei vom Vermieter bislang nicht angenommen worden. Im übrigen müsse die Wohnung noch instand gesetzt werden. Man habe aber andere interessante Wohnobjekte im Angebot.
Zugleich erhielt Anuschka K. eine Kopie einer Bankgutschrift über ihre Vorauszahlungen. Doch die war nicht unterschrieben, noch heute fehlt das Geld auf ihrem Konto. Mit Hilfe von Mieter helfen Mietern will sie auf Schadenersatz klagen.
Seit 1. Juni ist Anuschka K. obdachlos; sie und ihre Kinder wohnen bei Freunden und Bekannten. Ihre Möbel hat sie – auf Anraten des Hausmeisters – am vergangenen Wochenende im Hof der Grove-straße 17 abgestellt. Gestern morgen jedoch wurde das Türschloß ausgetauscht: An ihr Eigentum kommt Anuschka K. nicht mehr heran.
Norde Immobilien war gegenüber der taz zu keiner Stellungnahme bereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen