Mietvertrag für Schutzraum läuft aus: „Unterschlupf“ auf heißen Kohlen
Der Mietvertrag für den Schutzraum für wohnungslose Frauen* in Kreuzberg endet bald. Eine Alternative fehlt. Eine Petition ruft zum Erhalt auf.

Im Unterschlupf können sie zur Ruhe kommen, Wäsche waschen, duschen, kreativ sein und beim Kaffee miteinander ins Gespräch kommen. Die Mitarbeiterinnen unterstützen dabei, Schlafplätze zu finden und bürokratische Angelegenheiten zu regeln. Die drängende Frage seit Beginn des Projekts aber lautet: Wie lange noch?
Der Mietvertrag läuft bis Ende Juni, mündlich sei eine Verlängerung bis Ende September angekündigt worden. Die Einrichtung sitzt auf heißen Kohlen. Solche kurzen und kurzfristig angekündigten Verlängerungen seien für eine soziale Einrichtung nicht zumutbar. „Wir wollen ja unseren Klientinnen Sicherheit geben“, sagt Sophie Wilharm, die ehrenamtlich im Unterschlupf arbeitet und Teil des neu gegründeten Kampagnenteams ist.
Seit rund einer Woche läuft eine Petition auf der Plattform WeAct, die bislang 3.800 Menschen unterzeichnet haben. Sie richtet sich an die Evangelische Kirchengemeinde Kreuzberg, die die Räume in der Wrangelstraße 30 vermietet. „Unsere Forderungen sind, dass wir bis zum Abriss des Hauses hierbleiben können und dass die Kirchengemeinde uns danach äquivalente Räumlichkeiten stellt“, sagt Wilharm.
Nur eine Zwischenlösung
Dass es sich bei den Räumlichkeiten um eine Zwischenlösung handelt, war seit Gründung des Unterschlupfs Anfang 2023 klar. Es stand bereits fest, dass das Haus abgerissen werden und dort ein Wohnhaus entstehen soll. Doch trotz intensiver Suche konnte bisher keine passende Alternative gefunden werden. Finanziert wird der Unterschlupf zu einem Großteil durch einen privaten Spender, hinzu kommen Einzelspenden.
Die Petition richte sich an die Kirchengemeinde, weil diese die Vermieterin sei – und sich das Projekt von dieser Stelle am ehesten konkrete Hilfe erhoffe, sagt Lena Siever, die seit zwei Jahren ehrenamtlich für den Unterschlupf arbeitet und seit kurzem für ein paar Stunden die Woche angestellt ist. Wichtig sei mehr Planungssicherheit, solange nicht feststehe, wann das Gebäude tatsächlich abgerissen werde. „Wir fühlen uns hingehalten“, sagt Lena.
Protestaktion am 12. Juni
Für den 12. Juni um 16 Uhr sei deshalb auf dem Lausitzer Platz eine Protestaktion geplant, deren Ziel auch sei, generell Sichtbarkeit für die Probleme wohnungsloser Frauen zu schaffen. Denn das Gesamtproblem sei größer. „Wir wollen zeigen, wie schwierig es ist, als kleines Team einen sicheren Raum für Flinta-Personen zu schaffen, weil Obdachlosen- und Wohnungslosenhilfe fast nicht unterstützt wird. Das wird hauptsächlich vom Ehrenamt gestemmt.“
Auch die Besucherinnen spürten die unsichere Lage, sagt Sarah, die eigentlich anders heißt und seit 2019 wohnungslos ist. „Natürlich bekommen wir das mit. Das zehrt an den Nerven.“ Der Unterschlupf sei so wichtig, weil er einen geschützten Raum biete. „Auf der Straße bist du irgendwie ausgeliefert.“
Falsche Behauptungen in der Petition
Die Evangelische Kirchengemeinde Kreuzberg unterstreicht auf taz-Nachfrage, dass die Räume von Anfang an als Zwischennutzung überlassen worden seien. In der Petition würden falsche Behauptungen verbreitet, was das vertrauensvolle Verhältnis zum Projekt erschüttere. So solle der Unterschlupf nicht „endgültig auf die Straße gesetzt werden“. Auch sei nicht geplant, ein „luxuriöses Wohn- und Geschäftshaus“ zu errichten, sondern ein Wohngebäude mit durchschnittlichem Standard.
Martin Fiebig, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, kritisiert die Aussage „Nächstenliebe? Von wegen!“ in der Petition als Stimmungsmache. Gleichzeitig versichert er, dass der Kirchengemeinde die Zukunft des Projekts am Herzen liege. „Es geht hier nicht um uns, sondern um außerordentlich schutzbedürftige Menschen, denen wir weiterhin zur Seite stehen.“
Am Montagnachmittag wolle die Kirchengemeinde dem Unterschlupf die Möglichkeit unterbreiten, andere Räume anzumieten, aus denen ein sozialer Träger ausziehen werde.
Transparenzhinweis: Die Autorin arbeitet ehrenamtlich für den Unterschlupf e. V.
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