Mieten: Eigentümer angeschmiert
Am Neuköllner Weichselplatz haben Gentrifizierungsgegner einen Fahrstuhl demoliert. Die meisten MieterInnen sind von der Aktion nicht angetan.
An der weißstrahlenden Hausfassade hängen mehrere Banner. „Wohnen ist Menschenrecht“ steht darauf und: „Gegen Aufwertung und Verdrängung“. Im weiträumigen Hinterhof wächst ein gläserner Fahrstuhlschacht an der Hauswand empor. Auf Erdgeschossniveau sind die Glasscheiben gesprungen, auf der Metalltür prangt ein großer Farbfleck. Daneben hat jemand „Welte verzieh dich“ in großen Buchstaben an die Wand gesprayt.
Sven Buchholz sitzt am Donnerstagmittag in seiner Küche in dem Altbaukomplex am Neuköllner Weichselplatz. „Das ist absolute Scheiße“, murmelt der Biologe beim Lesen des Bekennenschreibens, das am Tag nach den Demolierungen im Internet auftauchte. Die Verfasser begründen ihr Vorgehen als Ausdruck der Solidarität mit der Anwohnerschaft in deren Kampf gegen den Vermieter – „der sie raus zu ekeln versucht, um die Wohnungen teuer neuvermieten zu können“. Der Fahrstuhl sei eine der Maschen, um die Miete zu erhöhen. Im Briefkasten der Hauseigentümer habe man zudem Hundescheiße hinterlassen. „Solidarität ist uns sehr wichtig“, sagt Buchholz, der seit zehn Jahren Mieter ist. „Aber Gewalt bringt nichts“. Buchholz ist sicher, dass niemand von der Einwohnerschaft mit den Demolierungen und der Aufforderung zum Rückzug an die Miteigentümerin Rabea Welte zu tun habe. Schlussendlich schade dies nicht nur den Eigentümern, sondern auch den MieterInnen, auf die die Kosten abgewälzt werden könnten, befürchtet Buchholz.
Seit knapp zwei Jahren läuft die Auseinandersetzung zwischen HausbesitzerInnen und MieterInnen: Anfang 2010 hatte eine neunköpfige Eigentümergemeinschaft den Altbaukomplex mit 36 Wohnungen an der Ecke Fuldastraße/Weichselplatz gekauft. Seit der Ankündigung, das Haus energetisch zu sanieren, protestieren die BewohnerInnen: Sie fürchten Mietsteigerungen um bis zu 60 Prozent. Buchholz zahlt derzeit 625 Bruttokaltmiete. Um insgesamt 180 Euro soll diese in den nächsten drei Jahren ansteigen, dazu kämen noch einmal höhere Gebühren nach der Umstellung auf Fernwärme, berichtet er.
Eine andere Mieterin sagt, sie befürworte die ökologische Sanierung. „Aber nicht, wenn sich dadurch die Mieten massiv erhöhen.“ Mit Unterstützung des Berliner Mietervereins habe man immerhin geschafft, die Miete einer alleinerziehenden Mutter mit Hartz IV für die nächsten zehn Jahre einzufrieren.
Doch zu den Demolierungen gibt es auch andere Meinungen im Haus: „Ich empfinde Schadenfreude“, sagt eine Mieterin, die anonym bleiben will. Auch sie glaubt, dass die Anwohnerschaft nichts damit zu tun habe. „Aber die Eigentümergemeinschaft ist selbst Schuld, schließlich provoziert sie seit langem die Mieter!“
Nikos Papamichail und Tim Lühning, beide Miteigentümer des Hauses, sitzen in einem Café am Landwehrkanal. Ihnen gehe es darum, die MieterInnen im Haus zu halten, erklären sie. „Wir haben in den Gesprächen immer klar gemacht, dass wir für den Fahrstuhlbau nicht auf die Mieter umlegen“, sagt Lühning. Wie hoch der Schaden sei, lasse sich noch nicht beziffern. „Sicher ist, dass wir auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben“.
Als neue Stufe der Eskalation betrachtet Nikos Papamichail die Zerstörungen und das Graffitim, das sich gegen Lühnings Lebensgefährtin und Miteigentümerin Rabea Welte richtet. Papamichail sagt, er glaube nicht, dass HausbewohnerInnen dahinter steckten. „Aber das ganze zeigt doch: Wenn die juristischen Mittel aufgebraucht sind, wehrt man sich verzweifelter.“ Fünf Verfahren liefen derzeit gegen MieterInnen. Vier davon, weil sich die MieterInnen weigerten, für die Sanierungen Zugang zu den Wohnungen zu erlauben.
Die Polizei teilte am Donnerstag mit, dass der Staatsschutz beim Landeskriminalamt nach den Zerstörungen gegen unbekannt ermittle.
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