Miesbacher Sparkassen-Affäre: Thermobett für den Hund
In der Miesbacher Sparkassen-Affäre verwöhnten sich ein Direktor und ein Landrat auf Kosten des Geldinstituts mit dem, was man so unter Luxus versteht.
Manchmal ist es schwierig, zwischen Satire und Wirklichkeit zu unterscheiden und zu beurteilen, wer sich da wem annähert. Die Badewanne jedenfalls stand 2014 auf der Bühne der Münchner Kammerspiele, die Szene stammt aus dem Programm „Ekzem Homo“, das der Autor und Kabarettist Gerhard Polt dort gemeinsam mit den musikalischen Well-Brüdern aufgeführt hat. Vorlage war die sogenannte Sparkassen-Affäre um den früheren Miesbacher CSU-Landrat Jakob Kreidl.
Wer dieser Tage den Sitzungssaal B 266 im Münchner Landgericht aufsucht, erlebt Aussagen, die an eben diese Theateraufführung erinnern. Derzeit stehen hier der tatsächliche Jakob Kreidl und der tatsächliche ehemalige Sparkassendirektor Georg Bromme mit zwei weiteren Angeklagten vor Gericht. Kreidl ist in zehn Fällen der Vorteilsnahme angeklagt und in 17 Fällen der Untreue. Ebenfalls angeklagt ist Georg Bromme, über 21 Jahre Chef der Sparkasse Miesbach-Tegernsee. Bei ihm geht es um 68 Fälle der Untreue und 37 Fälle von Vorteilsgewährung.
An diesem Montag im Dezember geht es vor Gericht um Ausflüge des Verwaltungsrats der Miesbacher Sparkasse ins Tiroler Stubaital. Ein ehemaliger stellvertretender Vorstand gibt Auskunft. Ja, das habe man schon seit den Neunzigern so gehalten, dass man die letzte Verwaltungsratssitzung des Jahres immer im Stubaital abgehalten habe, erzählt der Banker. Das sei „traditionsgemäß durchgeführt“ worden. Warum eigentlich in Österreich, fragt Richter Alexander Kalomiris nach. „Der Tradition folgend.“ Und warum seien auch die Ehefrauen dabei gewesen? „Auch der Tradition folgend.“
Kosmetik für die Ehefrauen
Als es dann in die Details geht, müssen selbst die Anwälte der Angeklagten immer wieder auflachen. Für die Ehefrauen habe es ein „Rahmenprogramm“ gegeben, erzählt der Zeuge. Sie hätten die Kosmetik- und Wellness-Angebote des Hotels – natürlich fünf Sterne – in Anspruch nehmen können. Auf Kosten der Sparkasse, versteht sich. Auf dem Zimmer habe auch meist ein Geschenkkorb, eine Sachertorte oder ein „Rucksack mit was drin“ auf die Dienstreisenden gewartet. Was man halt so braucht für eine Verwaltungsratssitzung. Geschenke des Hotels? Aber nein, das habe schon die Sparkasse gezahlt.
Eine Sparkasse, dieser kleine Exkurs sei gestattet, ist ja an sich eine feine Sache. Sie ist vor Ort, hat in den meisten Fällen noch immer ein respektables Filialnetz und bietet ihren Kunden, egal ob erfolgreiche Unternehmerin oder kleiner Rentner, das volle Leistungsspektrum einer Bank. Und sie ist dem Gemeinwohl verpflichtet, nicht irgendwelchen Aktionären.
920 Euro pro Weinflasche
Nun macht aber auch eine Sparkasse Gewinne. Was mit denen geschehen sollte, ist umstritten. Träger der Sparkassen sind die Kommunen, eine Ausschüttung an diese käme also dem Gemeinwohl zugute. Dem Recherchenetzwerk Correctiv zufolge verzichteten allerdings 2013/14 93 Prozent der Sparkassen in Bayern auf eine solche Ausschüttung. Die Institute belassen es meist bei Rücklagen, die Kritikern zufolge mitunter viel zu hoch sind, und bei freiwilligen und besser steuerbaren Spenden. Was wiederum Abhängigkeiten schaffen kann – auch für die Mitglieder des Verwaltungsrats. Das sind zumeist die Großkopferten der Region – Landrat, Bürgermeister, Unternehmer. Ihre Aufgabe ist es laut Sparkassengesetz, den Vorstand zu kontrollieren.
Bei der Ausübung dieser Kontrolle muss es Ende 2011 wohl zu jener Weinrechnung gekommen sein, die es dem Staatsanwalt so angetan hat. Er hält sie dem Zeugen vor: 12.476,60 Euro für die Getränke bei zwei Abendessen. Er kenne sich da nicht so aus, sagt der Staatsanwalt, aber das seien bestimmt keine schlechten Weine gewesen. Schließlich seien sie ja von Herrn Bromme persönlich ausgewählt worden. Unter den ausgesuchten Weinen waren laut Anklage ein „Masseto 1999“ zum Preis von 920,00 Euro pro Flasche oder auch ein „Sassicaia“ für 2.010,00 Euro pro Sechs-Liter-Flasche. Auf der Rechnung hießen die Weine auf Wunsch Brommes dann jedoch recht unspektakulär „Seminarpauschale“.
Die Ausflüge nach Stubai sind jedoch nur ein Posten auf der langen Liste des Staatsanwalts. Zu den Anklagepunkten, die hier an insgesamt 21 Verhandlungstagen aufgeklärt werden sollen, gehören weitere Vorwürfe, die Anklage hat sie in 16 Einzelkomplexe gegliedert.
James-Bond-Ausflug nach Interlaken
So soll die Sparkasse auf Brommes Geheiß eine Geburtstagsfeier für Kreidls Vize Arnfried Färber zu dessen Siebzigstem gesponsert haben. Allein der Blumenschmuck soll 15.000 Euro gekostet haben. Eine „Informationsreise nach Interlaken“ für die Bürgermeister des Landkreises und ihre Ehefrauen, die aus touristischen Highlights wie einem „James-Bond-Ausflug“ bestand, wie auch eine Shoppingtour der Kreistagsmitglieder in die Steiermark übernahm ebenfalls zum Großteil die Sparkasse.
Im Keller der Sparkasse soll Bromme sogar einen eigenen Raum eingerichtet haben, zu dem nur er den Schlüssel hatte. Allerhand persönlich ausgewählte Präsente lagerten dort – vom „Besteckmesser Hirschhorn“ für 842,68 Euro bis zu Manschettenknöpfen für 381,69 Euro. Kreidl etwa soll daraus in vier Jahren Aufmerksamkeiten im Gesamtwert von über 10.000 Euro bekommen haben. Sich selbst schenkte Bromme unter anderem einen Waffengutschein und ein Thermobett für Hunde.
Und nicht zuletzt war da auch noch die berühmte Party zum 60. Geburtstag des CSU-Landrats, zu der 460 Gäste ins Freilichtmuseum von Ex-Skirennläufer Markus Wasmeier geladen wurden. Der Schweinsbraten dort ist wirklich vorzüglich und wurde auch reichlich verzehrt. 120.000 Euro hat das Fest gekostet, mehr als die Hälfte hat die Sparkasse übernommen.
„Unser Mandant hat sich nicht bereichert“
Anfang Februar 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung über die Finanzierung der Feier, wenige Wochen vor den bayerischen Kommunalwahlen. Nachdem ihm Ende 2013 auch noch seine größtenteils abgeschriebene Doktorarbeit aberkannt worden war und Vorwürfe wegen eines privaten Schwarzbaus im Raum standen, war Kreidls politisches Schicksal besiegelt. Er kündigte seinen Rückzug von allen Ämtern an. Für die CSU war es zu spät, den Kandidaten für die Landratswahl auszutauschen, Kreidl stand noch auf den Stimmzetteln – und bekam 16 Prozent. In der Stichwahl wurde dann der Grüne Wolfgang Rzehak Landrat, eine Sensation in dem sehr konservativen Landkreis.
Von der „Miesbacher Amigo-Affäre“ spricht man seither in Anlehnung an eine Korruptionsaffäre um den früheren Ministerpräsidenten Max Streibl. Amigo, das ist Portugiesisch und heißt Spezl. Unterm Strich kommen die Staatsanwälte in dem jetzigen Verfahren auf Dutzende Fälle von Spezlwirtschaft, sie nennen es Untreue, Bestechung, Vorteilsgewährung und Vorteilsnahme. Hauptgeschädigte: die Sparkasse. Der Schaden: 1,25 Millionen Euro. Mindestens.
Mit einer Gefängnisstrafe, das hat das Gericht bereits angedeutet, müssen die Angeklagten wohl nicht rechnen. Die Vorkommnisse sind juristisch kaum noch zu ahnden. Von Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren ist mittlerweile die Rede. Die Staatsanwaltschaft macht dafür allerdings ein Geständnis der Angeklagten zur Bedingung – wonach es momentan überhaupt nicht aussieht. Im Gegenteil, Kreidl und Bromme wollen von den gegen sie erhobenen Vorwürfen nichts wissen. „Fakt ist, unser Mandant hat sich nicht bereichert“, sagt Brommes Anwältin. Es sei kein Schaden entstanden.
Kreidl war am ersten Prozesstag den Tränen nahe, beklagte, dass seine Leistungen für den Landkreis nicht mehr gesehen würden und er sämtlicher Ämter beraubt worden sei. Es klingt fast wie ein Plagiat seiner eigenen Kopie. Der Polt’sche Kreidl jammerte schon 2014 in der Badewanne: „Es wird einem alles vermiest. Ich hab’ so viele Meriten in diesem Landkreis. Meine Frau hat auch g’sagt: Net a moi a Gymnasium ham’s nach deinem Namen benannt. Net a mal an Skilift. Meine Verdienste sind chronisch geworden.“ Schon deshalb trinke er jetzt erst recht auf sich selbst und sage: „Hut ab, lebe hoch!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren