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Michael Müller im taz-CaféVom Radeln und Spaß haben

Wie kommt der Regierende beim grün-affinen Milieu an? Bei der Diskussion im taz-café zeigte sich Müller als Teilzeit-Radler und entspannter Autobahnbauer.

„Ich habe tat­säch­lich in mei­nem Leben auch Spaß, auch wenn Sie es nicht glau­ben“: Michael Müller​ Foto: dpa

Dafür, dass eine ge­mein­sa­me Ko­ali­ti­on erst ­mal sozialdemokratische und grüne Mi­lieus – wie­der – zusammenführen soll, scheint sich Micha­el Mül­ler nicht un­wohl zu füh­len im taz-Café in Berlin-Kreuzberg. Be­hält der SPD-Spit­zen­kan­di­dat und Re­gie­ren­de Bür­ger­meis­ter beim Dis­kus­si­ons­abend am Mittwoch an­fangs noch staats­tra­gend das Ja­ckett an, sitzt er bald im bis zum drit­ten Knopf ge­öff­ne­ten Hemd vor den Zu­hö­rern im voll besetzten Café.

Wie das denn mit Ber­lin als künf­ti­ger 4-Mil­lio­nen-Ein­woh­ner-Stadt wei­tergehen soll, ist­ die zen­tra­le Frage des Abends. 2030 soll das so weit sein. Mie­ten, Ver­kehr, Flug­ha­fen, Gen­tri­fi­zie­rung – Mül­ler redet im Gespräch mit den taz.Berlin-RedakteurInnen Antje Lang-Lendorff und Bert Schulz meist offen und wenig gestelzt, bie­dert sich trotz allen Wohl­fühl­fak­tors aber auch nicht an. Mietstei­ge­run­gen lie­ßen sich nicht wegbe­schlie­ßen. Ra­di­ka­le­re Ein­grif­fe in den Miet­markt über die jet­zi­gen Mög­lich­kei­ten hin­aus lehnt er eben­falls ab: „Auch Ei­gen­tü­mer und Ver­mie­ter haben Rech­te.“

Lebenswertes Leben

Er will zwar Ver­drän­gung aus an­ge­stamm­ten Stadt­tei­len nicht hin­neh­men, doch gelte es „klar zu ma­chen, dass es auch le­bens­wer­tes Leben au­ßer­halb von Fried­richs­hain-Kreuz­berg gibt“. Die For­mel: In­ner­halb des S-Bahn­-Rings gleich cool, au­ßer­halb gleich un­cool, fin­det er ar­ro­gant. Er selbst wohnt von jeher in Tem­pel­hof, in einer Alt­bau­woh­nung, und be­tont: „Ich habe tat­säch­lich in mei­nem Leben auch Spaß, auch wenn Sie es nicht glau­ben.“

Auch vor Grün-af­fi­nem Pu­bli­kum rückt Mül­ler nicht ab von sei­ner kri­ti­schen Hal­tung zum Fahr­rad­volks­be­geh­ren, bei dem er sich einen Kom­pro­miss wünscht. Mehr dafür aus­ge­ben – ja, kon­kret für mehr Rad­strei­fen, Fahr­rad-Schnell­we­ge, Rad-Park­häu­ser und an­de­res. Aber einen Vor­rang für den Rad­ver­kehr, ein klare Re­gu­lie­rung, das lehnt er ab: Es soll bei der Mi­schung aus Auto, ÖPNV, Rad und Fuß­ver­kehr blei­ben – so seine Rei­hen­fol­ge, die im Pu­bli­kum gleich ein „Um­ge­kehrt!“ pro­vo­ziert. Er fahre selbst gern Rad, erzählt er noch, „und viele stau­nen, dass ich das so gut hinbe­kom­me“.

In Sa­chen di­rek­ter De­mo­kra­tie of­fen­bart er Feh­ler beim jüngs­ten Volks­ent­scheid: Er habe das mit dem Tem­pel­hofer Feld per­sön­lich ge­nom­men, „das war viel­leicht nicht klug“, sagt er, „das war nicht gut, mit dem Kopf durch die Wand zu wol­len“. Aus seiner klaren Nie­der­la­ge bei der Abstimmung im Mai 2014 will er ge­lernt haben. Wirklich mehr di­rek­te De­mo­kra­tie bis 2030, dem Jahr, in dem Ber­lin vier Mil­lio­nen Ein­woh­ner haben soll, sieht er al­ler­dings nicht: Volks­be­geh­ren blei­ben für ihn nur eine Er­gän­zung zu Ent­schei­dun­gen von gewählten Volks­ver­tre­tern im Par­la­ment.

In Sachen A 100, jener Autobahnverlängerung, die offiziell Grund für die gescheiterten rot-grünen Koalitionsgespräche nach der Wahl 2011 war, befürchtet Müller schon aus Zeitgründen kein Déjà-vu. Der damals diskutierte 16. Bauabschnitt werde tatsächlich gebaut, aber ob es vom Bund auch Geld für den nächsten gibt, zeige sich „erst in 10 bis 15 Jahren“ – also lange nach Ende der kommenden Wahlperiode.

Weil seine SPD bei einem ­Um­fra­ge­insti­tut nur knapp vor der Kon­kur­renz liegt – bei zwei an­de­ren hin­ge­gen deut­lich –, fehlt auch die Frage nicht, ob er sich ein Leben ohne Po­li­tik vor­stel­len kann, falls er am 18. Sep­tem­ber nicht ge­winnt. „Schwer, das ist nun mal mein Leben“, sagt er, „aber dies­mal wird es noch nicht so weit sein.“

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