Michael Braun über die Verfassungsreform in Italien: Zweifelhafte Stabilität
Ein rundum erneuertes Italien: Dies hatte Matteo Renzi versprochen, als er im Februar 2014 die Regierung übernahm. Jetzt darf er für sich reklamieren, mit der Verfassungsreform ein Ziel erreicht zu haben, das die Parteien in Rom seit 30 Jahren ohne jedes Resultat diskutierten. Stabil soll das Land nun endlich werden, mit klarem Übergewicht nur noch einer der beiden Parlamentskammern. Stabil wird – dank dem parallel zur Verfassungsreform modifizierten Wahlrecht – auch die Regierungsmehrheit im Parlament sein.
Dies ist die Stärke der Renzi’schen Doppelreform. Egal nämlich, wie viele Stimmen eine Partei im ersten Wahlgang erreicht, hat sie im zweiten Wahlgang zwischen den beiden stärksten Parteien die Chance, mit einem Sieg am Ende die absolute Mehrheit im Parlament davonzutragen.
Italien könnte dann Regierungen erleben, hinter denen eigentlich nur 20 Prozent der Wähler stehen. In einem Land, in dem sich gegenwärtig mit Renzis Partito Democratico (PD), mit der Protestliste der „Fünf Sterne“ und mit einer zunehmend populistischen Rechten drei Blöcke gegenüberstehen, könnte sich damit jedoch die Demokratie in eine Lotterie verwandeln. Gewiss, Renzi dachte wahrscheinlich an sich selbst als zukünftigen Sieger, ausgemacht ist das jedoch keineswegs. Schon jetzt besagen die Umfragen, dass bei einer Stichwahl nicht die PD, sondern die Fünf-Sterne-Bewegung die Nase vorn hätte.
Wer immer gewinnt, könnte dann auf jeden Fall „durchregieren“. Silvio Berlusconi zum Beispiel hätte mit einer solchen Machtfülle seine Gegner in den Staatsanwaltschaften viel effizienter ausschalten können.
Die neue Stabilität könnte sich zugleich als purer Schein erweisen, da sie der Regierbarkeit des Landes die Repräsentativität – und damit die Akzeptanz der Regierung bei den Bürgern – völlig unterordnet. Ob sich so auf Dauer das Vertrauen zu den demokratischen Institutionen steigern lässt, ist mehr als zweifelhaft.
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