: Mexiko: Tod eines Kandidaten
■ Präsidentschaftsanwärter Luis Donaldo Colosio wurde ermordet
Mexiko-Stadt/Tijuana (taz/AP) – Zum zweiten Mal in diesem Jahr scheint in Mexiko eine neue und gewalttätige Zeitrechnung anzubrechen: Der Präsidentschaftskandidat der Regierungspartei PRI, Luis Donaldo Colosio, ist am vergangenen Mittwoch abend erschossen worden.
Nach Abschluß einer Wahlkampfveranstaltung in der grenznahen Stadt Tijuana durchbrachen zwei bewaffnete Männer die Sicherheitssperre und feuerten zwei Schüsse auf den 44jährigen Politiker ab. Er wurde im Oberkörper und im Kopf getroffen. Bewußtlos wurde Colosio umgehend in ein Krankenhaus gefahren und behandelt. Drei Stunden lang hielt das Land den Atem an: Aber die aus den USA eingeflogenen Spezialisten bemühten sich vergeblich um das Leben des Mannes, der bei seiner Nominierung im November schon als sicherer künftiger Präsident galt.
Zwei mutmaßliche Attentäter sind verhaftet worden. Der eine, ein 23jähriger Mechaniker, bezeichnete sich bei seiner Festnahme als „Pazifist“. Er habe sogar schon mehrere Bücher über den Pazifismus veröffentlicht, sagte der Mann. Er war von der Menge, die der Wahlkampfrede Colosios in Tijuana gefolgt war, nach dem Attentat fast gelyncht worden, bis er von Sicherheitskräften abgeführt wurde. Über seine Motive ist allerdings nichts bekannt.
Luis Donaldo Colosio, vormals Sozialminister, war im November vergangenen Jahres als Kandidat der regierenden PRI nominiert worden. In den vergangenen Monaten war er unter starken politischen Druck geraten. Seine Gegner warfen ihm vor, er verfolge einen strikt marktwirtschaftlich ausgerichteten Kurs. Colioso verteidigte sich mit dem Hinweis auf die von ihm geplanten Sozialprogramme und Maßnahmen zum Umweltschutz, sollte er die Wahlen im August gewinnen.
Kurz vor dem Attentat hatten beide Kammern des mexikanischen Parlaments ein neues Gesetz verabschiedet, das Manipulationen wie bei früheren Präsidentenwahlen verhindern soll. So beschlossen die Abgeordneten, die Bundeswahlbehörde der Einflußnahme des Innenministeriums zu entziehen und ihre Unabhängigkeit zu garantieren. Seiten 8 und 11, Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen