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Mexikanischer geht es nichtAppetit auf Oaxaca

Texmex? Chili con Carne, diese Pampe? Alles pseudo! Nichts davon ist genuin Mexikanisch. Zum Glück gibt es die regionale Küche der Kolonialstadt Oaxaca.

Essstand auf dem Markt in Oaxaca. Bild: Günter Ermlich

Wie richtige Mexikaner frühstücken wir in der Markthalle 20 de Noviembre. Unter dem Marktdach reiht sich Essstand an Essstand, es gibt hundert dieser Comedores. Wir lassen uns am Stand 39 im Comedor Maria Teresa nieder. Die Frauen tischen einen Augenschmaus nach dem anderen auf: Tamales à la oaxaquena, in Bananenblätter gekochte, mit Hühnerstückchen gefüllte Maisfladen. Tlayudas, opulente regionaltypische Tortillas aus Maismehl. Enchiladas, gerollte Tortillas mit Mole Negro, einer sämig-braunen Sauce aus Chilis und Kakao.

Dazu ein Champurrado, ein Maismehlgetränk mit Schokolade. Alles ist delicioso, aber genug ist genug, und die Chapulines, geröstete Heuschrecken, ein lokaler Leckerbissen, sprechen nicht sofort jedermann an.

Maria Eugenia, die Chefin unseres Comedors, studiert aufmerksam die Polizeinachrichten in der Zeitung. Seit 55 Jahren, in der dritten Generation, betreibe ihre Familie den Marktstand, sagt sie, dieses Recht sei vererbbar.

Jeder Comedor habe seine Stammkunden, man bekomme ein Essen schon für 40 Pesos, gut zwei Euro. Es sei un bonito negocio, was wir nicht nur als schönes, sondern auch als lukratives Geschäft übersetzen.

Infos Oaxaca

Die Gastronomie: Oaxaca verfügt über eine Reihe hervorragender Restaurants, neben dem Casa Oaxaca und dem Casa Oaxaca El Restaurante die Restaurants Catedral, La Teca und La Mezcalería. Im Mercado 20 de Noviembre kann man an den zahlreichen Ständen gut und günstig essen.

Das Getränk: In Oaxaca gibt es Dutzende von Mezcal-Destillerien, zwei bekannte produzieren in Santiago Matatlán: die Destilería Los Danzantes (www.losdanzantes.com) und El Rey Zapoteco (www.elreyzapoteco.com.mx). Mezcal TV ist ein Internet-Kanal, der sich ausschließlich Meczal widmet. (www.mezcal.tv).

Die Auskunft: www.visitmexico.com www.oaxaca.travel

Die Feste: Foodfestival El Saber del Sabor (Das Wissen um den Geschmack), Mezcal-Fest Feria Nacional del Mezcal.

Die Literatur: Ortrun Egelkraut: "Mexiko", Vista Point Verlag, 4. Aufl. 2008, 22,50 Euro; Fiona Dunlop: "Viva La Revolución! New Food from Mexico", Mitchell Beazley Verlag, 22,99 Euro; Laura Esquivel: "Bittersüße Schokolade". Mexikanischer Roman um Liebe, Kochrezepte und bewährte Hausmittel in monatlichen Fortsetzungen, Suhrkamp Verlag, 8,50 Euro; Malcom Lowry: "Unter dem Vulkan", Rowohlt Verlag, 9,95 Euro; "Fünfunddreißig Mescals in Cuautla" (Gedichte), Rowohlt Verlag, 1983 (antiquarisch).

Der Artikel: Dieser Text basiert auf einer Pressereise nach Oaxaca, die vom mexikanischen Fremdenverkehrsbüro finanziert wurde.

Allein dieser Name: Oaxaca, sprich Oachakah, zergeht lautmalerisch auf der Zunge. Oaxaca, genau genommen Oaxaca de Juárez - der Beiname erinnert an den mexikanischen Präsidenten und Nationalhelden Benito Juárez, der indianischer Abstammung war und in der Nähe geboren wurde - liegt in 1.550 Meter Höhe in einem Hochtal der Sierra Madre, in einer klimatisch moderaten Zone, angenehme 22 Grad im Jahresmittel.

Im Jahr 1529 gründeten die spanischen Eroberer die Stadt - heute mit 300.000 Einwohnern Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats im Südosten Mexikos - und verordneten ihr das von der Krone vorgeschriebene schachbrettartige Straßenmuster. Wer durch das historische Zentrum schlendert, erlebt geballte koloniale Pracht: pastellfarbige, aus grünem Sandstein erbaute zweigeschossige Stadthäuser mit schmiedeeisernen Gittern vor den Balkonen, Fenstern und Portalen.

Weltkulturerbe der Unesco

Hinter unscheinbaren Fassaden verbergen sich lauschige Innenhöfe. Der Zocálo, das pulsierende Herz der Stadt, ist ein von Arkaden gesäumter, von Platanen beschatteter, von der wuchtigen barocken Kathedrale behüteter Platz. Zum Essen und Trinken, Flanieren und Demonstrieren. Neben den nahen Ruinen von Monte Alban, dem Zeremoniezentrum der Zapoteken, wurde die "koloniale Perle" im Jahr 1987 zum Weltkulturerbe der Unesco gekürt.

Seitdem hat sich die Altstadt touristisch aufgemöbelt: In viele Kolonialhäuser zogen schicke Boutiquehotels und trendige Restaurants, hippe Clubs und Internetcafés, Kunstgalerien im Dutzend.

Nahe der Kirche Santo Domingo speisen wir in der Casa Oaxaca zu Mittag. Dieter Kronzucker, der deutsche Fernsehjournalist, ließ vor 15 Jahren eine Hausruine aus dem 18. Jahrhundert zu einem stilvollen Boutiquehotel mit sieben Zimmern restaurieren, das heute koloniales Flair mit zeitgenössischer Kunst lokaler Maler verbindet.

Für Señor Kronzucker ist Oaxaca "die Essenz von Mexiko", die mexikanischste Stadt ganz Mexikos. Mit seinem jungen Küchenchef Alejandro Ruiz hatten wir vormittags auf dem Markt Central de Abastos alle Zutaten fürs Mittagessen gekauft.

Fisch von der Küste

Fast alle Zutaten stammten von Bauern in den Tälern Oaxacas, erklärt uns Alejandro Ruiz, nur Fisch und Meeresfrüchte kämen von der Pazifikküste. Jetzt degustieren wir das gerade vor unseren Augen zubereitete Viergängemenü: Dorade mit grüner Ceviche, Quesadilla mit einem schwarzen Pilz namens Huitlacoche und Guacamole, dann das Wildgericht Amarillo de Venado und zum Dessert eine Limonentarte. Qué rico! Superlecker!

Im historischen Zentrum von Oaxaca: die kleinen im Kolonialstil gebauten Häuser. Bild: Günter Ermlich

Doch wir wollen nichts unter den Tisch kehren, draußen vor der Tür wartet eine andere Welt. Vor zwei Jahren wurde die touristische Idylle in Oaxaca gleich dreifach getrübt, als die globale Finanzkrise mit der Schweinegrippe und dem Dauerstreik der Lehrer zusammenfiel, die mächtigen Lehrergewerkschaften den Zócalo in ihr Zeltlager umfunktionierten und mit Straßenblockaden und Demonstrationen das Herz der Stadt lahm legten.

Sozialer Brennpunkt

Schon 2006 war Oaxaca ein halbes Jahr quasi "geschlossen", weil 70.000 Lehrer im Bundesstaat für mehr Lohn streikten und den Zócalo besetzten. Ihr Protest mündete in das organisierte Bündnis Appo aus Vertretern indigener Gemeinden, NGOs, Basisgruppen, politischen Dissidenten, Frauen- und Studentengruppen und richtete sich gegen die Korruption der Regierung, staatliche Repression und die extreme soziale Ungleichheit.

Oaxaca ist der zweitärmste Bundesstaat Mexikos mit dem größten Anteil an indigener Bevölkerung. Die 14 Ethnien leben mehr schlecht als recht als Campesinos auf dem Land und in den Dörfern der unwegsamen Sierra Madre. Der "Kampf um Oaxaca" explodierte schließlich in gewaltsamen Straßenschlachten zwischen Lehrergewerkschaften und Sympathisanten einerseits, Polizei und Paramilitärs andererseits.

Für die Tourismusindustrie, an der die Indígenas nur marginal partizipieren, war das ein Fiasko. Denn Oaxaca hängt - neben den Geldüberweisungen der indocumentados, Hunderttausender in den USA arbeitender illegaler Migranten, vor allem am Tropf des Tourismus.

Viele Künstler engagieren sich leidenschaftlich für das koloniale Kleinod. Allen voran Francisco Toledo, Mexikos berühmtester zeitgenössischer Maler, el maestro, wie ihn hier alle ehrfürchtig nennen, ein kleiner Mann vom Volk der Zapoteken.

Den Ausverkauf verhindert

In ihrer Galería Quetzalli erzählt Graciela Cervantes, die rechte Hand von Toledo, über die vielen Kämpfe des heute 71-jährigen Maestro. Vor zwanzig Jahren schon verhinderte er mit Gleichgesinnten, dass die Regierung das Konvent Santo Domingo an die Luxushotelkette Camino Real verkaufte.

Das sei die Geburtsstunde von Proax gewesen, erklärt die Galeristin, einer Initiative von 30 bis 40 Aktivisten, die das kulturelle Erbe Oaxacas verteidigen. Im Jahr 2002 protestierte Proax erfolgreich dagegen, dass sich McDonalds am zentralen Zócalo ansiedeln konnte.

Die Aktivisten stellten lange Tische auf den Platz, verteilten an die Bevölkerung Berge köstlicher Tamales, in Bananenblättern gekochten Maiskuchen, und skandierten "Kein Junk Food" und "Ja zu Oaxacas großer Kochkunst".

Im vergangenen Jahr stellte die Unesco die wahre mexikanische Küche (neben der französischen) als "immaterielles" Weltkulturerbe unter besonderen Schutz und pries deren "praktische Rituale, das alte praktische Wissen und die uralten kulinarischen Techniken und Bräuche". Oaxaca steht schon lange dafür.

Der alternative Nobelpreis

Die Augen von Graciela Cervantes leuchten, als sie aufzählt, was el maestro Toledo alles für das reiche Kunst- und Kulturleben Oaxacas getan hat. Er stiftete ein Kolonialgebäude für das Instituto de Artes Gráficos de Oaxaca, prägte das Museum für zeitgenössische Kunst als Präsident, gründete ein Zentrum für Fotografie und richtete ein kostenloses Programmkino ein.

Im Jahr 2005 erhielt der rastlose Kulturenfischer den alternativen Nobelpreis, die Jury lobte den "Einsatz Toledos und seiner Kunst für den Schutz, die Entwicklung und Erneuerung des Architektur- und Kulturerbes, der Umwelt und des Gemeinschaftslebens seiner Heimat Oaxaca".

Dazu passt auch Santiago de Matatlán, die nahe gelegene "Weltkapitale des Mezcal". Fast alle 9.000 Einwohner sind Mezcaleros und leben vom hochprozentigen Schnaps. Auf den Feldern rund um das Dorf wächst die Maguey genannte Agave, der Rohstoff für den Mezcal.

In der Destillerie El Rey Zapoteco räumt Julián Gomez, Ethnologe und Mezcal-Connaisseur, mit dem Urteil auf, dass in jedem Mezcal ein Würmchen schwimme. Nein, sagt Gomez, das sei nur ein Marketingcoup einer Firma in den fünfziger Jahren gewesen, um sich vom bekannteren Tequila abzusetzen.

Qualitätsprodukt Mezcal

Während Tequila industriell in Fabriken produziert wird, erklärt uns Señor Gomez, wird der Mezcal in rund 700 kleinbäuerlich-familiären Destillerien in Handarbeit hergestellt. Er sei aus 100 Prozent Agave gebrannt, seit 1994 gebe es eine Norm und eine geschützte Herkunftsbezeichnung und seit 2005 vergebe die Organisation Comercam ein Qualitätssiegel, das für Handel und Export zwingend ist.

Abends schreiten wir zur Degustation in der Mezqualeriá. Das Restaurant in Oaxaca-Stadt gehört dem smarten Marketingdirektor der Tourismusbehörde. Gabriel Antonio Pedro Reyes lässt uns die drei Mezcal-Prototypen probieren, die sich vom Alter, also der Lagerdauer unterscheiden: den jungen Blanco, den ein paar Monate alten Reposado und den mindestens ein Jahr in Eichenfässern gereiften Añejo.

Der Gastronom möchte "eine neue Kultur rund um den Mezcal schaffen". Einen Agavencocktail wie den Coctel Oaxaqueño zu mixen, ist schon trendy, aber das Mezcalaroma auch für Speisen wie die Magueytortilla und das mit Mezcal getränkte Orangenmousse zu nutzen, ist fast schon revolutionär.

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6 Kommentare

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  • M
    Marius

    Tja ja... die Schubladen, mit denen man so aufwächst, sind schwer aus einem rauszubekommen, selbst wenn man für die taz schreibt *g*. Wenn man schreiben würde, im Schwarzwald wäre es am deutschesten in ganz Deutschland, dann fiele jedem sofort auf, was für eine unsinnige Aussage das wäre. Warum sollte also Oaxaca mexikanischer sein als Yucatan? Nur weil die Küche ein wenig althergebrachter ist? Und genuin mexikanisch ist übrigens auch nicht das koloniale Flair der Stadt...

  • S
    Sowasaberauch

    Auch wenn vieles richtig ist in diesem Artikel, das Niveau war grauenhaft. Entschuldigung. Aber eine derart herrliche Küche hätte wahrhaft einen besseren Artikel verdient.

    Allein die Küche Oaxacas wäre die ganze Textlänge wert gewesen. Ebenso der Central de Abastos. Oder die sozialen Proteste.

    @ it's in the name

    Wahr ist, dass die südlichen Teile der USA den Mexikanern geraubt wurden. Hier von einem Beweis für das funktionieren des Melting Pots zu sprechen, ist jedoch daneben.

    Im Übrigen unterscheidet sich die Küche in einem derart grossen Land wie Mexiko nunmal stark in den Regionen. Ein ähnliches Missverständnis wie "indisch oder chinesisch essen gehen".

    Und so haben die Speisen, welche in DACH als "mexikanisch" vorgesetzt werden für viele MexikanerInnen allenfalls kuriositätenwert.

  • MT
    María Teresa Gonzalez

    Toll! Gute Reportage.

    Ich komme aus Oaxaca!! Viva Oaxaca

    Viele Grüsse

  • II
    it's in the name:

    Wenn Texmex "genuin mexikanisch" seien wollte, hieße es wohl nicht Texmex. Diese Küche zu diffamieren, ist respektlos. Es handelt sich hier immerhin um eine der wenigen Instanzen, in denen der amerikanische Melting Pot ganz ausgezeichnet funktioniert.

  • JZ
    jan z. volens

    Fantastico ! Grossartiger Bericht! 1964 fuhr ich auf einer 11,000 km Autofahrt von Kalifornien nach Chiapas - die damalige "direkte" Strecke von Mexico.D.F. nach Oaxaca: Auf der Landkarte sah das logisch aus. Aber diese damalige Strecke fuehrte viele Stunden in ewigen Serpentinenkurven - endlos - bis nach Oaxaca. Zumindest damals (weiss nicht wie es 2011 ist) - fuehrte der Strassen-und Bahnverkehr zwischen Mexico. D.F. erst nach Osten - das Hochland hinunter zum Golfhafen Veracruz, dann von dort suedlich ueber Coatzacoalcos und Villahermosa -dann westlich ueber den Ithmus von Tehuantepec, wieder fast zum Pazifik.

  • T
    TeufelsAdvokat

    Das Chili con Carne ein texanisches Gericht ist, ist jedem Chili Liebhaber bekannt. Die duemmliche Herabwuerdigung als "Pampe" zeigt, dass Sie wohl noch nie in ihrem Leben ein authentisches Chili gegessen haben und sich daher auch kein Urteil erlauben sollten. Wirklich peinlich und erbaERMLICH...