piwik no script img

Metamorphosen

■ betr.: „Lektionen zur Gründung der SED“, taz vom 27. 2. 96

[...] Herr Mitter beschreibt in seinem Beitrag sehr zutreffend Metamorphosen, Purzelbäume und eisernes Beharren.

Da ich unter der Kategorie „Metamorphose“ abgehandelt werde, seien einige Ergänzungen genannt, auf die Herr Mitter ganz bewußt verzichtet hat.

1. Herr Mitter umgeht ganz geschickt das Problem, daß die Sicht auf historische Ereignisse auch immer eine Generationsfrage ist und Erkenntnisprozesse ja zu einem Teil altersbedingt sind. Es scheint mir somit keine Überraschung zu sein, daß mit meinem jetzigen Alter von 39 Jahren eine andere Bereitschaft vorliegt, bisherige Forschungen in Frage zu stellen, als bei Herrn Benser, der mit seinen 65 Jahren persönlich von den damaligen Ereignissen betroffen ist.

So ist auch nachvollziehbar, warum Kollege Benser eben keine Metamorphose durchlaufen hat. Ähnliches trifft auf Herrn Krusch zu, der sich jetzt ebenfalls im Rentenalter befindet. Daß gerade Herr Mitter, der im Unabhängigen Historikerverbund seit 1990 gegen die etablierte „alte Herrenriege“ der Historiker der DDR ankämpfte, dies übersieht, wundert mich schon sehr.

2. Der von Herrn Mitter unverständliche Wandel meiner Auffassungen seit 1990 wird erklärbar, wenn man in Betracht zieht, daß ich in den Jahren von 1990 bis 1995 in den ehemaligen Bezirksarchiven der SED nicht mit der Absicht arbeitete, mir dort meine bisherigen Standpunkte durch Dokumente bestätigen zu lassen. So kann es kommen, und das wird für Herrn Mitter wahrscheinlich schwer zu verstehen sein, daß man durch empirische Untersuchungen – gestützt auf die sehr umfangreichen Dokumente aus den Regionalarchiven – fünf Jahre später zu anderen Einschätzungen gelangen kann und bisherigen Thesen verworfen werden müssen.

Da Herr Mitter neben dem Tadel auch mit dem Lob arbeitet, kann ich für die Zukunft ja hoffen, obwohl ich vermute, eisernes Beharren wäre ihm lieber gewesen. Die von ihm geforderte Konsequenz wäre allerdings der Kobold beschränkter Geister. Andreas Malycha, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen