Metallbranche Gewerkschaft und Arbeitgeber einig: 4,8 Prozent mehr Gehalt: Lohnerhöhung in zwei Schritten
BERLIN taz | 14 Stunden dauerte die letzte Verhandlungsrunde, dann war es vollbracht. Der Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie ist beigelegt. In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Pilotabschluss, verkündeten am Freitagmorgen in Köln die Unterhändler der IG Metall und der Arbeitgeber – etwas müde wirkend, aber sichtlich zufrieden.
Verständigt haben sich beide Seiten auf eine zweistufige Lohnerhöhung von insgesamt 4,8 Prozent. Die Beschäftigten bekommen ab dem 1. Juli zunächst 2,8 Prozent mehr Geld. Ab 1. April 2017 kommen 2 Prozent hinzu. Zudem gibt es eine 150 Euro Einmalzahlung. Der rückwirkend ab April geltende Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 20 Monaten und sieht Ausnahmeregeln für wirtschaftlich schwächere Unternehmen vor.
„Das ist ein Kompromiss, mit dem wir gut leben können“, sagte der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Knut Giesler. Die Gewerkschaft hatte ursprünglich ein Lohnplus von 5 Prozent für 21 Monate gefordert. Von einer „guten Lösung“, sprach auch Arndt Kirchhoff, Präsident des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen. Es handele sich um „eine von Vernunft geprägte Vereinbarung“, mit der der Trend der vergangenen Jahre zu überhöhten Tarifabschlüssen gestoppt sei. Die Arbeitgeber hatten eigentlich nur eine Erhöhung von 2,1 Prozent in zwei Stufen für 24 Monate angeboten.
Der jetzige Abschluss liegt zwar unter dem Niveau der letzten drei Tarifverträge, die seit 2012 in der Metall- und Elektroindustrie geschlossen wurden. Allerdings liegt auch die Inflationsrate derzeit niedriger – daher steigen die Löhne real etwa in gleicher Höhe. Von zentraler Bedeutung war der IG Metall, dass sie ein besseres Ergebnis erzielt als die zweitgrößte DGB-Gewerkschaft Verdi. Das ist ihr gelungen.
Entscheidend für die Arbeitgeber war, dass der neue Tarifvertrag Ausnahmen für wirtschaftsschwache Unternehmen zulässt. Den Branchenriesen geht es zwar sehr gut. So konnten Siemens, Daimler, BMW und Airbus gerade erst Dividenden von knapp zehn Milliarden Euro ausschütten – und damit in etwa so viel wie das nun erzielte Ergebnis die gesamte Branche nach ihren eigenen Berechnungen im Jahr kosten wird. Bei etlichen mittelständischen Unternehmen sieht das jedoch anders aus.
Sie erhalten die Möglichkeit, bei einer unterdurchschnittlichen Ertragslage mit der IG Metall vor Ort Ausnahmen zu vereinbaren. Ermöglicht wird die Streichung der Einmalzahlung oder auch die Verschiebung der zweiten Lohnerhöhungsstufe um bis zu drei Monate. Eine vergleichbare Sonderregelung gab es zuletzt 2010. „Die Lage der Unternehmen ist so unterschiedlich, dass wir sorgsam mit einem flexiblen Tarifvertrag darauf reagieren mussten“, sagte Dulger. „Die Differenzierungskomponente war daher unverzichtbar und stärkt das Vertrauen in die Tarifautonomie.“
Fünf Verhandlungsrunden hatte es bis zu der jetzt erzielten Verständigung bedurft. Sie waren begleitet von heftigen Warnstreiks, an denen sich nach Gewerkschaftsangaben seit Ablauf der Friedenspflicht am 29. April rund 760.000 der bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie beteiligt hatten. Die Einigung in Nordrhein-Westfalen hat Pilotcharakter, soll also in den kommenden Tagen auch auf die übrigen Tarifregionen übertragen werden. Pascal Beucker
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