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Messerverbotszonen in BerlinAuswahl mit wenig Logik

Bei der Einrichtung der Waffenverbotszonen hat sich der Senat nicht allein an Zahlen orientiert. Grüne kritisieren „Stigmatisierung unliebsamer Orte“.

Ob’s hilft? Schild in Hamburg, wo es schon länger Verbotszonen gibt Foto: Christian Ohde/imago

Berlin taz | Die Auswahl der neuen Waffen- und Messerverbotszonen im Görlitzer Park, am Kottbusser Tor und am Leopoldplatz wurde offenbar nicht nur auf Grundlage von Zahlen und Fakten getroffen. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Innenpolitikers Vasili Franco hervor, die der taz vorliegt. Unter anderem ist fraglich, warum nicht der Alexanderplatz in Mitte ausgesucht wurde, der in Kriminalitätsstatistiken schlechter abschneidet als etwa der Leopoldplatz im Ortsteil Wedding.

Demnach kam es 2024 im Vergleich der sogenannten kriminalitätsbelasteten Orte (kbO) in Berlin im und um den Görlitzer Park sowie am Kottbusser Tor zu den meisten Gewalttaten mit Schusswaffen oder Messern. Doch der Alexanderplatz liegt in der Statistik nicht weit dahinter, ebenso der Hermannplatz und auch die Gegend um die S-Bahnhöfe Hermannstraße und Neukölln.

Auch unter den am meisten von Gewalt belasteten Bahnhöfen schneidet der Alex schlecht ab. Am U-Bahnhof Alexanderplatz etwa wurden im Jahr 2024 137 Gewaltdelikte verzeichnet. Das sind mehr als doppelt so viele wie am U-Bahnhof Leopoldplatz, wo 58 Fälle registriert wurden. Am Alex ist dabei noch nicht einmal der S-Bahnhof eingerechnet, obwohl dieser direkt über der U-Bahn-Station liegt.

„Die Auswahl der Orte für die Waffenverbotszonen orientiert sich an keiner erkennbaren Logik“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Franco. „Es schwingt durchaus eine politische Stigmatisierung unliebsamer Orte mit.“ Der Senat könne nicht erklären, wie Messerverbotszonen an „Görli, Kotti und Leo“ Berlin zukünftig sicherer machen sollen, so Franco weiter.

Liste der Verbotszonen noch nicht abgeschlossen

Innen-Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) schreibt in der Senatsantwort, für die Auswahl der Verbotszonen habe man die kbOs sowie „weitere Orte mit erheblicher Deliktsbelastung im Sinne der waffengesetzlichen Vorgaben in den Blick genommen“. Die „sehr erhebliche einschlägige Kriminalitätsbelastung“ an Görli, Kotti und Leo stehe „außer Frage“, heißt es weiter. Hochgrebe weist auch darauf hin, dass die Liste der Verbotszonen nicht abschließend sei, die Innenverwaltung „vielmehr fortlaufend prüft“, ob und wo weitere Zonen eingerichtet werden können.

Unterdessen ist die Zahl der Straftaten mit Messern in Berlin im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen: Die Polizei erfasste 3.412 Delikte in der Kategorie „Messerangriffe“, das sind 70 Fälle und damit 2 Prozent weniger als 2023. In den Jahren zuvor hatte es in der Statistik teils leichte, teils aber auch sprunghafte Anstiege gegeben. Weniger als 5 Prozent aller Straftaten mit Messern und Waffen wurden 2024 in den drei nun verhängten Verbotszonen registriert.

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4 Kommentare

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  • Faszinierend, dass sich beim Thema Messerverbote plötzlich ausgerechnet einige Linke damit hervortun, das Mitführen von Waffen für ein unveräußerliches Bürgerrecht zu halten. Ich kapiere es nicht.

  • Warum sind nicht Städte generell Messerverbotszonen? Welchen Grund gibt es - ausser ich hab mir eben ein Küchenmesser für zuhause gekauft - in einer Stadt ein Messer mitzuführen?



    Jäger sind wohl eher selten, und den Apfel schneiden kann man zuhause ...



    Ich habe noch nie ein Messer gebraucht unterwegs in der Stadt.

    • @Sandra Becker:

      Neben dem Kauf eines Messers und dem Apfelschneiden fallen mir spontan ein: Grillen im Park, Kuchen für die Kollegen in der Arbeit.



      Je mehr Messerverbotszonen, desto umständlicher wird es. Und wenn man sackweise Ausnahmen definiert, kann man sich ein Verbot auch gleich sparen.

      Außerdem: Kriminelle haben leider die Angewohnheit, sich nicht freiwillig an Verbote zu halten. D.h. um eine Messerverbotszone durchzusetzen, müssen Menschen verdachtsunabhängig durchsucht werden.

      • @Limonadengrundstoff:

        Die Polizei wird dann aber eben nicht die junge Mutter mit Kleinkindern durchsuchen.

        Es wird hier von Laien immer so getan, als hätte die Polizei absolut üüüüüberhaupt keine Erfahrungswerte und könne Situationen selbst nicht im geringsten beurteilen. Niemand wird wegen des Kuchenmessers verhaftet werden.