Merkels Regierungssprecher: BR-Intendant verspricht Staatsferne
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (CSU) ist zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt worden. Jetzt wird über seinen Nachfolger in Berlin spekuliert.
BERLIN taz | Man stelle sich vor, es wäre nicht um Angela Merkels Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (CSU), sondern um Gerhard Schröders alten Intimus Bela Anda (SPD) gegangen: Wäre der Durchmarsch vom Posten des obersten Verkäufers der Bundesregierung auf den Intendantenjob bei einer der großen ARD-Anstalten ebenso allseitig beklatscht worden, wie es nun beim Bayerischen Rundfunk (BR) der Fall ist? Wohl kaum. Seit Donnerstag hat der BR nun seinen designierten neuen Intendanten Ulrich Wilhelm.
Die Wahl im BR-Rundfunkrat, von den Grünen zu Recht als Farce bezeichnet, fiel so eindeutig aus wie erwartet: Mit 40 von 44 Stimmen wurde Wilhelm gekürt. „Ein Mann von gediegener Gelassenheit“ , titelte der Fachdienst epd medien in seinem Porträt. Doch von solch gediegener Gelassenheit konnte beim nichtöffentlichen „Vorsingen“ von Wilhelm im Rundfunkrat vor der Wahl keine Rede sein: Nervös habe sich der Regierungssprecher präsentiert, sagen Anwesende. Dabei war die Wahl ausgemachte Sache und schon vor Monaten vom scheidenden BR-Intendanten Thomas Gruber eingefädelt worden.
Kritischen Fragen danach, wie sich so ein Wechsel von der Regierungsbank auf den obersten Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertrage und welche Rolle er eigentlich beim Abschuss von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender im letzten Herbst gespielt habe, sei Wilhelm ausgewichen: „Der hat drumherumgeredet“, sagt Grünen-Rundfunkrat Ludwig Hartmann. Die Unionsvertreter im ZDF-Verwaltungsrat hatten im November gegen den Vorschlag von ZDF-Intendant Markus Schächter gestimmt, Brenders Vertrag zu verlängern – und hätten damit auch den Intendanten massiv beschädigt, sagt Hartmann.
Doch Wilhelm habe sich nicht konkret zum Umgang mit seinem künftigen Amtskollegen Schächter äußern wollen. Er habe bisher aus der Sicht des Regierungssprechers seinen Job gemacht, habe sich der künftige BR-Intendant erklärt; jetzt werde er selbstverständlich für die Staatsferne des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und die klare Trennung zur Politik eintreten.
Dafür gibt es auch eine kleine Schamfrist: Wilhelm geht als Regierungssprecher im Juli ab – so bleiben sechs Monate Abkühlphase bis zum Amtsantritt beim BR am 1. Februar 2011. Doch wie um die Bemühungen um wenigstens ein bisschen Staatsferne souverän zu kontakarieren, meldete sich keine Stunde nach der Wahl als erstes die Bayerische Staatskanzlei zu Wort, und gab ihren Segen: „Ulrich Wilhelm wird als neuer Intendant fachlich und menschlich überzeugen“, wissen CSU-Chef Horst Seehofer und sein Medienminister Siegfried Schneider und gratulieren herzlichst.
Bleibt die Frage, wer Wilhelm in Berlin als Regierungssprecher beerbt. Tief im Westen wird derzeit über den Namen eines gern medienwirksam auftretenden Chefredakteurs spekuliert, der ohnehin alle paar Jahre den Job wechselt. Und der sich bei den eben gelaufenen Landtagswahlen mit seinen Blätter recht deutlich hinter den CDU-Kandidaten Jürgen Rüttgers warf: Ulrich Reitz, seit 2005 Chefredakteur der WAZ, die mit ihrem „Content-Desk“ auch die NRZ und die Westfälische Rundschau mit überregionalen Nachrichten versorgt.
Das höchst freundliche Interview, dass Reitz vor knapp drei Wochen mit der Kanzlerin führte, heißt es in Essen, sei da durchaus als Bewerbungsschreiben zu verstehen. Doch Reitz hat keine Lust auf den Job: Er verdiene ja jetzt schon mehr als die Kanzlerin, sagte der WAZ-Chefredakteur am Rande der Verleihung des Henri-Nannen-Preises in Hamburg.
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