Merkels 60. Geburtstagsfeier: Leben in glücklichen Breiten

Im Konrad-Adenauer-Haus huldigen 1.000 Gäste der Kanzlerin. Betont werden die menschlichen Seiten der Politik – und die Sorgen Sigmar Gabriels.

„Berliner Gespräche“ zu Merkels 60. Geburtstag. Bild: reuters

BERLIN taz | Anderthalb Stunden nach Beginn ihrer Geburtstags-Sause in der Berliner CDU-Zentrale tritt die Jubilarin selbst ans Mikrofon. An ihre Gäste gewandt sagt Angela Merkel, sie danke allen für ihr Kommen; an Tagen wie diesen wisse sie: „Wir leben in glücklichen Breiten.“ Ihre Worte fallen kurz nach dem vermeintlichen Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine und etwa zur gleichen Zeit, da Israels Regierung bekannt gibt, Bodentruppen in den Gaza-Streifen zu schicken. Ja, denkt man auf diesem harten Plastikstuhl im dämmrigen Festibül des Konrad-Adenauer-Hauses, wir, hier, leben in glücklichen Zeiten.

Angela Merkel ist an diesem Donnerstag sechzig Jahre alt geworden, zu ihrem Geburtstag hat sie sich gewünscht, man möge trotz der Null nicht allzu viel Bohei um ihre Person machen. Ein kleines Bohei sieht so aus, dass etwa tausend Menschen gekommen sind, um ihr im Rahmen einer als „Berliner Gespräch spezial“ getarnten Vortragsveranstaltung zu huldigen.

Merkel hat sich zu ihrem Sechzigsten gewünscht, dass der Historiker Jürgen Osterhammel einen Vortrag halten möge. „Vergangenheiten: Über die Zeithorizonte der Geschichte“ lautet dessen Titel; es ist ziemlich trockene Kost, die der Mann da anbietet. Es geht, soviel ist klar, um die Frage, wieviel Vergangenheit nötig ist, um die Gegenwart zu verstehen. Viel mehr, als wir meinen, erklärt der Professor. Im schnellebigen Berlin ist sein komplizierter Vortrag eine echte Herausforderung. Und soll wohl auch ein Fingerzeig darauf sein, zu was für hochmögenden Gedankenexperimenten die Bundeskanzlerin auch noch in der Lage wäre, würde sich nicht diese Regierung und diese Partei führen.

Nach dem Historiker spricht CDU-Fraktionschef Volker Kauder zu Angela Merkel. Er duzt Merkel, erzählt von ihrer Freundschaft, die auch in der Politik möglich sei. Vor allem lobt er ihre Verschwiegenheit und Vertrauenswürdigkeit. Merkel, sagt Kauder, wolle „die Wahrheit hören“. So schaffe sie geschützte Räume, in denen man sich offen austauschen könne. „Wer hätte gedacht“, sagt er über die Jubilarin, „dass die männerdominierte Politik so etwas hervorbringt.“

Gratulation mit Risiko

Nach Kauder gratuliert SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel. Es sei ihm „wenigstens zeitweise eine große Freude“, mit ihr zusammenzuarbeiten. Auch er lobt ihre Zuverlässigkeit und ihre Bodenhaftung sowie ihre Art, zu kommunizieren. Dass ein Politiker der anderen Fraktion hier spreche, habe man schon bei Merkels 50. so gehalten. Damals war es die FDP. „Das Ergebnis ist ja bekannt", sagt Gabriel nun grienend. „Naja, Humor ist, wenn man trotzdem kommt.“ Immerhin sei auch die CSU eingeladen, „dann erwischt es uns nicht allein.“

Gabriel ging auch auf die Gerüchte ein, Merkel plane, während der laufenden Legislaturperiode zurückzutreten. Ein medialer Reflex, der bei einer sechzigjährigen Frau unausbleiblich scheint. Die SPD, sagte Gabriel nun, habe die Rente mit 63 keineswegs deshalb durchgesetzt, weil Merkel ausgerechnet im Bundestagswahljahr 2017 dieses Alter erreicht haben werde. Die Große Koalition habe immerhin eine Arbeitsgruppe für flexible Weiterbeschäftigung eingerichtet. Allerdings, so Gabriel nach einer Kunstpause, „nicht zwingend in der bisher ausgeübten Position“. Heiterkeit in den Reihen.

Die CSU meldet sich gleich anschließend zu Wort. Statt Parteichef Horst Seehofer gratuliert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Sie, mit Angela Merkel befreundet, freut sich, dass im Jahr 2014 das Wort „Schwesterpartei“ tatsächlich Sinn habe: heute gratuliere eine CSU-Frau einer CDU-Frau. „Stimmt“, murmelt die Kanzlerin auf ihrem Platz in der ersten Reihe. Dass Seehofer nicht gekommen sei, um persönlich zu gratulieren, erklärt Hasselfeldt mit einem Termin: der Ministerpräsident sei wegen der Verleihung des Bayerisch-Griechischen Kulturpreises verhindert. Amüsiertes Gelächter im Saal – Seehofer kneift offenbar.

Zum Schluss sagt auch Angela Merkel noch mal etwas. Sie bedankt sich bei ihrer Familie, ihren privaten und politischen Wegbegleitern. Ihr Mann Joachim Sauer und ihre Mutter Herlind Kasner sitzen im Publikum. In ihrer kurzen Rede erinnert sie an Guido Westerwelle, der sich bei ihrem Fünfzigsten erstmals öffentlich mit seinem Mann Michael Mronz gezeigt hatte. Heute sei Westerwelle nicht hier, er ist schwer an Krebs erkrankt.

Merkel, die sich statt Geschenken Spenden für eine Krebsstiftung erbeten hat, erinnert noch einmal daran, worum es im Leben gehe: „Dass wir füreinander einstehen, in guten wie in schlechten Tagen.“ Und sie erklärt, was sie vom abwesenden Horst Seehofer gelernt hat: „Wenns heute schön ist, muss es morgen nicht genauso sein.“ Ja, setzt sie nach, „das ist der Sinn von Politik“. Und dann wird eine gefühlte Ewigkeit lang gratuliert.

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