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Merkel gratuliert Joe Biden zum WahlsiegZiemlich erleichtert

Die Bundeskanzlerin äußert sich erstmals persönlich zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Sie betont zugleich mehr europäische Eigenverantwortung.

Freut sich sicher auf Kamala Harris: Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: Miachel Kappeler/reuters

Berlin taz | Für Gefühlsausbrüche ist die Bundeskanzlerin nicht bekannt. Insofern klingt das, was Angela Merkel am Montagvormittag in ihrem kurzen Statement sagt, für ihre Verhältnisse beinahe euphorisch. Erstmals tritt sie, nachdem sie zuvor bereits eine schriftliche Stellungnahme abgab, persönlich vor die Presse, um sich zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl zu äußern. Sie gratuliert dem frisch gewählten Präsidenten Joe Biden „ganz herzlich“ und sagt, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit ihm und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris. Sie wünsche ihnen „Kraft, Erfolg und Gottes Segen“.

Merkel lobt den Demokraten Biden für dessen „Erfahrung aus Jahrzehnten in der Innen- wie der Außenpolitik“. Er kenne Deutschland und Europa gut; sie selbst erinnere sich gerne an „gute Begegnungen und Gespräche mit ihm“. Auf Bidens Vize geht Merkel ebenfalls ein: Kamala Harris als erste Frau in diesen Amt und Kind zweier Einwanderer sei für viele eine „Inspiration“. Und: „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.“

Wie viel Erleichterung daraus spricht, wird deutlich, wenn man Merkels Statement mit jenem von vor vier Jahren vergleicht. 2016 gratulierte sie Donald Trump ebenfalls zur Wahl, mit Sympathiebekundungen hielt sie sich aber zurück. Im Gegenteil: Nach einem ausführlichen Vortrag über gemeinsame Werte wie Freiheit und Demokratie schloss sie: „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“

Nun, 2020, mit dem Ende der Ära Trump in Sicht, geht die Kanzlerin ebenfalls auf das deutsch-amerikanische Verhältnis ein. Die USA und Deutschland als Teil der EU müssten „Seite an Seite“ im Kampf gegen die Coronapandemie, den Klimawandel und für freien Handel stehen, fordert sie. Man muss kein Diplomat zu sein, um das auch als Kritik der Trump-Jahre zu sehen. Merkels Botschaft: Viel ist im transatlantischen Verhältnis kaputt gegangen, vieles können wir reparieren – solange wir an einem Strang ziehen.

Keine Vorbelastung

Die Kanzlerin räumt dabei selbst ein, dass es eine Rückkehr zu früheren Zeiten nicht geben werde. „Amerika ist und bleibt unser wichtigster Verbündeter“, sagt sie. „Aber es erwartet von uns – und zu Recht – stärkere eigene Anstrengungen, um für unsere Sicherheit zu sorgen.“ Hier hätten sich die Europäer bereits auf den Weg gemacht, sagt Merkel, Stichwort: höhere Verteidigungsausgaben für die Nato.

Merkel weiß genau, dass auch unter Präsident Biden gewisse Streitpunkte zwischen den USA und Deutschland bleiben werden – zum Beispiel die Gaspipeline Nord Stream 2. Andererseits will Biden wieder mehr auf internationale Kooperation setzen und die USA zum Beispiel ins Pariser Klimaschutzabkommen zurückführen. Vor allem aber kann Merkel in ihrem voraussichtlich letzten Kanzlerjahr auf mehr Berechenbarkeit und eine zivilisierte Gesprächskultur auf der anderen Seite des Atlantiks bauen.

Biden wird der vierte US-Präsident sein, mit dem Merkel in ihrer inzwischen 15 Jahre währenden Kanzlerschaft zu tun hat – nach George W. Bush, Barack Obama und Trump. Bemerkenswert ist, dass das Verhältnis zwischen Merkel und Biden als unvorbelastet gilt. Die beiden kennen sich, in Bidens acht Jahren als Obamas Vize sind sie sich häufiger begegnet. So dürfte Merkels Start mit Biden deutlich weniger holprig werden, als er das mit seinen Vorgängern im Weißen Haus war, selbst besser als mit Obama, der es Merkel lange übel nahm, dass er als Präsidentschaftsbewerber 2008 nicht am Brandenburger Tor sprechen durfte.

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