Merkel-Interview abgesagt: MDR stoppt CDU-Wahlhilfe
Der MDR hat nach heftiger Kritik ein Merkel-Interview zur Lage im Osten während der besten Sendezeit abgesagt. Gegner werfen dem MDR vor, Wahlhilfe für Sachsen und Thüringen zu leisten.
Auch wenn der Wahlkampf auf Länder- und Bundesebene eher langweilt und selbst die SPD schon einen parteilosen Agrarexperten ins Kompetenzteam bemühen muss, um wenigstens an der Kartoffelfront ein paar (Negativ-)Schlagzeilen einzuheimsen, geht es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern hoch her. Nach massiver Kritik der Linken hatte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) erst am Donnerstagnachmittag ein für den gleichen Abend geplantes TV-Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesagt.
Nur drei Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sollte die Kanzlerin zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr in einem „MDRextra“ unter dem Sendetitel „Wie weiter im Osten?“ auftreten. Gegen solche Schützenhilfe – in Thüringen wie Sachsen regieren Ministerpräsidenten der CDU – hatte sich heftiger Protest erhoben. Nur bei der SPD blieb es eher ruhig, denn der MDR wollte am 10. September – also gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl – auch dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier ein medienwirksames Plätzchen zum Interview einräumen.
Immerhin scheint sich kurz vor knapp der MDR-Intendant Udo Reiter besonnen zu haben: Die Terminwahl seines Senders sei unglücklich, eine einseitige Beeinflussung der Wahlkämpfe in beiden MDR-Ländern nicht auszuschließen gewesen, so der MDR. Auch das Steinmeier-Gespräch im September wurde abgesagt. „Um den Grundsatz der Chancengleichheit nicht zu gefährden, verzichtet der MDR auf die Interviews", so der Sender. Die CDU ist nun sauer: „Wir haben das mit Befremden zur Kenntnis genommen", sagte ein Parteisprecher der Nachrichtenagentur dpa: „Für diese überstürzte Absage fehlt es an jeglichem Verständnis."
Da ist die CDU in guter Gesellschaft mit dem ZDF: Der Sender hätte nämlich weiterhin gern Angela Merkel für ein Spitzengespräch der Parteivorsitzenden vor der Bundestagswahl, doch „Angie“ ziert sich.
Wie einfach der Umgang von öffentlich-rechtlichen Sendern mit Politikern eigentlich sein könnte, hatte schon am Mittwoch der ARD-Fernsehfilm „Der Mann auf der Brücke“ gezeigt: Im diesem fiktiven Melodram um eine Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt/Main sah man die Gegenkandidatin des amtierenden OB im ARD-Interview: Sie hielt sich selbst das Mikrofon mit der berühmten „Eins“ auf blauem Grund und plauderte nach Anweisungen ihres Strategieberaters genüsslich drauf los. Einen Reporter, der Fragen stellte oder nachhakte suchte man vergeblich. Und was tat die Frau in den fiktiven „tagesthemen“? Sie sagte artig Danke.
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