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Mentale Absenzen

■ Meine Lieblingssportler — unfalltechnisch betrachtet Achte Disziplin und Schluß: Eishockey NOTHNAGELSACHTKAMPF

Mit verbotswürdiger Geschwindigkeit rauscht der kleine Gummiknopf über die gefährlich undurchsichtig anmutende Eisfläche. Das Publikum dieser „temporeichsten Mannschaftssportart“ (H.J. Rauschenbach) hat — fest im Banne des tobsüchtigen Trinkzwanges, ferner wellenweise von Adrenalin gepeitscht — nicht den Hauch einer Chance, etwas wie Überblick zu gewinnen: Knopf zu schnell, Eis zu weit unten, Spielgeschehen zu konfus.

So brüllen die Massen — denn das Volk ist hier! — hektisch und karotinroten Gesichts in dieser ihrer geistfreien Zone durcheinander — egal, was geschieht. Das Spiel ist, wie fast alle anderen Sportarten auch, bloßes Aphrodisiakum für die bereits bedenklich zirrhotisch taumelnden Leberwerte.

Bis plötzlich... — Oha! — Was ist das? — der Spieler mit der Nummer neun, ein vierschrötiges Subjekt mit den Körperformen eines Großhydranten, rast hinter dem Gummiknopf her. Mit dem Spielbein rollert er einige Male scharf an, das andere Bein zischt geradlinig puckwärts, der Schläger lungert stark appetent und aufdringlich symbolisch vorn in Hosenlatzhöhe voraus — der Knopf rauscht weiter gleichmütig und sinnlos vorwärts.

Zwei Banden hat die Nummer neun jetzt um sich: vorn die hölzerne, die mit etwa 60 Bildern pro Sekunde auf die Netzhaut zuzurennen scheint, hinten die der gegnerischen Spieler. Die lassen ihre langstieligen Kellen warmrotieren, ziehen der Nummer neun mit Schmackes kurze Schläge über die Waden, den Lendenwirbelsäulenbereich, die Schultern und schließlich auch — wenn sie ihn finden — über den Kopf.

Nummer neun erleidet erste schwere mentale Absenzen; sein Schwanz schrumpft vor Angst, so daß er nicht mehr steuern kann, böse schwarzbraune Furchtfurze steigern sein Reisetempo endgültig ins Ominöse — entfesselt, weitab von jeglicher Körperbeherrschung und nunmehr knallhart geradeaus, läßt er sich wider Willen von den physikalischen Gesetzen in die dem gegnerischen Tor benachbarte Bande rammen.

Sein ebenso bewußtloser wie behelmter Kopf schlägt beim Einstich in die Bande einer Zuschauerin in der ersten Reihe mit mächtigem Schwung und makelloser Halbkreisbewegung in die auf dem Schoß abgestellte Currywurst. Drei Spieler des eigenen Teams sind notwendig, um den tief ins Holz eingehämmerten Neuner herauszubohren.

Die Schiedsrichter, bei diesem Spiel stets Statisten von bejammernswerter Bedeutungslosigkeit, fahren anmutig kleine Volten, Einwärts-Auswärtskurven, Rückwärtskunststückchen und Pirhouetten — das Publikum glaubt selbstverständlich, gerammte Neun und Schaulaufen der Schiedsrichter seien regelgerechte Teile des Spiels. Unter großem Beifall wird die Nummer neun ins Krankenhaus geschafft.

Seine physischen Blessuren sollen später schnell und ästhetisch tadellos geflickt worden sein. Sein Verstand ist von IQ 98 (zwei Strich über debil) auf bescheidene — der weiteren Karriere aber durchaus förderliche — 61 heruntergerammt worden.

Merke: Nicht Sport macht dumm, sondern Dumm macht Sport! Klaus Nothnagel

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