Menschenrechtsgericht verurteilt Türkei: Schmerzensgeld für getöteten Kurden
Während einer Kundgebung in Diyarbakir wurde er von einer Tränengasgranate getroffen. Jetzt gibt Straßburg den Angehörigen des Kurden recht.
Der Vorfall ereignete sich Ende März 2006 während einer nicht genehmigten Kundgebung in der osttürkischen Stadt Diyarbakir. Zu der Demonstration hatten Kurden aufgerufen, um gegen den Tod von 14 Mitgliedern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) während eines Militäreinsatzes zu protestieren. Der 40-Jährige wurde von einer Tränengasgranate getroffen und erlag kurz danach seinen schweren Kopfverletzungen. Insgesamt wurden während der mehrtägigen Protestkundgebungen elf Demonstranten getötet.
Die Angehörigen werfen der türkischen Polizei vor, vorsätzlich auf den Kopf des Opfers gezielt zu haben. Dies bestreitet die Regierung in Ankara, die von einem Unfall spricht.
Der Gerichtshof für Menschenrechte stellte hingegen fest, die Art der Verletzung lasse auf einen gezielten Schuss deuten. Insgesamt seien die Polizisten mit „unverhältnismäßiger Gewalt“ gegen die Demonstranten vorgegangen. Der Einsatz von Tränengasgranaten während der mehrtägigen Proteste sei „chaotisch“ gewesen.
Tödliches Geschoss verschwand spurlos
Die Straßburger Richter rügen zudem das Fehlen effizienter Ermittlungen. Erst eineinhalb Jahre nach dem Vorfall seien erste Polizisten vernommen worden. Strafrechtliche Ermittlungen gegen einige Polizisten seien erst drei Jahre nach dem Tod des Demonstranten eingeleitet worden. Bis heute sei kein Einsatzbeamter zur Verantwortung gezogen worden. Auch sei nach wie vor unklar, wie viele Polizisten bei den fraglichen Kundgebungen mit Tränengasgranaten auf Demonstranten geschossen hätten. „Erstaunlich“ sei zudem, dass das Geschoss, das den Mann tödlich getroffen hatte, während der Ermittlungen spurlos verschwunden sei.
Das Urteil wurde von einer kleinen Kammer des Gerichtshofs gefällt. Dagegen kann die Türkei binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter der großen Kammer verweisen, er muss dies aber nicht tun.
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