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MenschenrechtsberichtMoskau ignoriert Strassburger Urteile

Human Rights Watch kritisiert die Umsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zugunsten tschetschenischer Kläger.

Trauer um die erschossene Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Natalia Estemirova. Bild: dpa

ST. PETERSBURG taz | Russland setzt Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg zu Klagen tschetschenischer Opfer von Menschenrechtsverletzungen nur mangelhaft um. Zu diesem Schluss kommt die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW)) in ihrem jüngsten Bericht. HRW hatte die Reaktion Russlands auf Dutzende Urteile des Straßburger Gerichts untersucht. In allen Fällen ging es um schwerste Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Verschleppungen.

Nicht ein einziges Mal seien die Verantwortlichen für die Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden - auch dann nicht, wenn diese vom Europäischen Menschengerichtshof namentlich benannt worden seien. Lediglich Schadenersatzzahlungen an Angehörige der Verschleppten und Ermordeten, zu denen das Gericht Russland verpflichtet habe, würden die russischen Behörden leisten.

Mehrere Millionen Euro müsse Russland jedes Jahr auf Anordnung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs Opfern von Menschenrechtsverletzungen zahlen, berichtet das russische Internet-Portal newru.com. Der Gerichtshof hatte Russland im März mit einer Suspendierung seiner Mitgliedschaft im Europarat gedroht, sollte Moskau die Urteile nicht innerhalb eines halben Jahres umsetzen.

Russlands Missachtung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes trage mit zur Eskalation der Gewalt im Nordkaukasus bei, meinen russische Menschenrechtler. Solange die Täter keine Bestrafung fürchten müssten, werde die Gewalt kein Ende nehmen.

Auch in diesem Jahr hat sich an der hohen Zahl von Verschleppungen und außergerichtlichen Hinrichtungen in Tschetschenien nichts geändert. Die Zahlen seien im Vergleich zu 2007 und 2008 sogar gestiegen, schreibt Amnesty International in einem Memorandum an Russlands Präsidenten Medwedew.

Die jüngste HRW-Bericht dürfte das Verhältnis zwischen Menschenrechtsorganisationen und den russischen Behörden weiter belasten. Im Juli hatte das russische Außenministerium Amnesty International vorgeworfen, sich zum Erfüllungsgehilfen des Westens zu machen. Die Menschenrechtsorganisation hatte die russischen Behörden beschuldigt, im Nordkaukasus in ihrem Kampf gegen bewaffnete Gruppen "Methoden anzuwenden, die im klaren Widerspruch zum internationalen Recht stehen".

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5 Kommentare

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  • G
    GWalter

    Doch die Realität im Kaukasus-Konflikt ist eine andere: In der Nacht vom 7. auf den 8. August hat die georgische Armee sowohl die russischen Friedenstruppen angegriffen und 19 russische Soldaten getötet als auch die Stadt Zchinwali, die Hauptstadt Südossetiens, massivem Artilleriebeschuss und Bombenhagel ausgesetzt und nahezu dem Erdboden gleichgemacht. Auf Grund dieses militärischen Angriffs hat Russland reagiert und zum Gegenschlag ausgeholt. Was am Anfang für alle noch offensichtlich war, dass Georgien den Krieg gegen Ossetien und gegen die dort stationierten russischen Friedenstruppen begonnen hatte, passte nun nicht in das schon vorgestrickte Desinformationskonzept. Kurzerhand qualifizierte man die völkerrechtsgemässe Reaktion Russlands als unverhältnismässig ab. Und mit diesem Begriff versuchten die gekauften Medien, die Realität umzudeuten. Das Opfer wurde zum Täter, und Russ­land wurde an den Pranger gestellt. Die Medien zeigten Bilder von einer zerstörten Stadt und behaupteten, dass es das georgische Gori nach den russischen Bombardierungen gewesen sei. In Tat und Wahrheit waren es Bilder aus der von Georgiern dem Erdboden gleichgemachten südossetischen Hauptstadt Zchinwali. So viel zur Pressefreiheit und zur Ehrlichkeit der Medien und Europas.

  • P
    Peterle

    Lächerlich, wir sollten vor unserer eigenen Haustür kehren. An was hält sich denn die BRD so alles nicht? Schonmal recherchiert? Und überhaupt, wo sind die Fakten? Journalistische Arbeit? Fehlanzeige. Was macht denn unserer Lieblings-Verbündeter die USA? Was sollen solche Artikel?

  • G
    GWalter

    Und wer erwähnt einmal, dass die USA sich überhaupt keiner internationalen Gerichtsbarkeit stellen....ja stellen wollen!!??

     

    Die USA haben bereits seit 1945 ganze 41 Kriege und Operationen gegen andere Länder geführt um dort ihre Interessen an Macht und Ressourcen dieser Länder zu erhalten!

     

    Dies scheint der Weltöffentlich keit völlig entgangen zu sein oder wird eifach ignoriert weil man eben die USA als Weltpolizisten akzeptiert hat!?

    Russland hat mit Tshetschnien leider ein Terrorgebiet ähnlich wie Afghanistan auf dem eigenen Territorium und muß natürlich dort entsprechend handeln!

    Übrigens; es ist schon seit längerem bekannt, dass auch in Afghanistan Mithelfer der Taliban aus Tschetschenien stammen....also das sind 2 Seiten einer Medallie!

  • G
    gregor

    HRW sagt - Russland ist doof. Soll das die Nachricht sein? Wo sind Fakten, Beispiele, Namen und Zahlen? Wo bleibt die eigene journalistische Arbeit? Ein Artikel wie ein Geschwätz in einem Dorf : "mehrere Millionen", "hohe Zahlen", Zahlen sind gestiegen"

  • B
    Benz

    Haben wir ein Glück dass der Irak, Somalia, Afghanistan usw. nicht in Europa liegen! Sonst müssten sich die britischen, italienischen, spanischen usw. Soldaten womöglich noch in Strasburg verantworten für ihre Verbrechen, die sie dort unten begangen haben.

     

    So aber sind sie fein aus dem Schneider und der Krieg gegen den Terror kann weitergehen.