Menschenrechtler über Lage in Burundi: „Die Positionen sind radikalisiert“

Burundis Krise geht auf das Versagen des Präsidenten zurück, sagt Menschenrechtler Pierre-Claver Mbonimpa. Ein Gespräch über Korruption und Folter im Gefängnis.

Präsident Nkurunziza in einer Menschenmenge

Endspurt: Präsident Nkurunziza beim Wahlkampfabschluss am Freitag, 17. Juni. Foto: Simone Schlindwein

taz: Herr Mbonimpa, warum hat die Kandidatur von Präsident Pierre Nkurunziza zu einer dritten Amtszeit das Land in eine neue Krise gestürzt?

Pierre-Claver Mbonimpa: Der Grund ist nicht die Kandidatur von Nkurunziza, sondern dass er Versprechen nicht erfüllt hat. Er hat aus Burundi kein besseres Land gemacht, seit er 2005 Präsident wurde. Wir sind in der Zeit stehengeblieben – unsere Lage hat sich nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert. Das liegt nicht an der Bevölkerung, sondern an den Politikern. Es ist alles sehr traurig.

Aber der Krieg 1993–2005 ist doch noch nicht so lange her. Braucht es nicht mehr Zeit, um ein Land aufzubauen?

Wir bekamen Unterstützung von überall für den wirtschaftlichen Aufbau. Das Geld verschwand aber in den Taschen der Führer und der Bevölkerung geht es kaum besser. Was hat man von neuen Schulgebäuden, wenn es keine Schulbänke, Bücher oder Lehrer gibt?

Hat die Regierung Nkurunziza denn überhaupt nichts getan für die Bevölkerung?

Ich habe selbst während des Krieges zwei Jahren im Gefängnis gesessen und am eigenen Leib erlebt, wie brutal früher die Behandlung von Gefangenen war. Folter und Misshandlung waren normal. Es gab in dieser Hinsicht Verbesserungen, als Nkurunzizas Regierung antrat. Gefangene kamen viel mehr als früher an die frische Luft, Folter wurde weniger und täglich konnten Familie und Anwälte Gefangene besuchen.

Sie waren voriges Jahr und dieses Jahr kurz wieder im Gefängnis, weil Sie die Regierung unter anderem beschuldigten, außergerichtliche Hinrichtungen vorzunehmen. Ist die Lage noch immer O. k.?

Nein. Es werden jetzt wieder Gefangene gefoltert, vor allem Kritiker des Präsidenten.

ist Gründer und Leiter des seit 2001 bestehenden „Verbandes zum Schutz der Menschenrechte und der Inhaftierten“ (­Aprodh) in Burundi und einer der profiliertesten Bürgerrechtler des Landes. Davor war er Ministerialangestellter und Polizist.

Dieses Jahr wurden Sie festgenommen, weil Sie der Jugendmiliz von Nkurunzizas Regierungspartei CNDD-FDD Gewalt vorwarfen?

Die Imbonerakure, die CNDD- FDD-Jugendorganisation, werden im Kongo trainiert und bewaffnet von den Behörden hier. Es ist eine Art Miliz. Wir erhalten viele Berichte, dass sie die Bevölkerung terrorisieren.

Welche Rolle spielt jetzt noch die Rivalität zwischen Hutu und Tutsi?

Es ist jetzt ein politischer Konflikt, solange Politiker nicht die ethnische Karte spielen. Der Präsident hat leider gesagt, dass vor allem Tutsi ihn weghaben möchten. Aber viele Opfer und Gefangene in den letzten Monaten sind Hutu-Jugendliche. Viele der Straßenschlachten zwischen Gegnern einer dritten Amtszeit für Nkurunziza und der Polizei fanden statt in was früher Tutsi-Wohngebiete waren. Aber jetzt leben Hutu und Tutsi dort friedlich zusammen.

Wie ist es möglich, dass ein politischer Konflikt innerhalb drei Monaten so außer Kontrolle gerät?

Das geht schon länger. Schon 2010 boykottierte die Opposition die Wahlen und seitdem verschwinden Menschen. Jedes Jahr gibt es über 400 Tote oder Vermisste.

Wird die Lage nach den Wahlen sich stabilisieren oder eskalieren?

Die Positionen auf beiden Seiten sind radikalisiert. Wenn es keine politische Lösung gibt, die beiden Seiten etwas bietet, fürchte ich, dass die Lage sich verschlechtert.

Gibt es wieder Krieg?

Möglich.

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