Menschenfeindlichkeit: Berlin grenzt aus
Rassismus und Antisemitismus steigen unter Berliner*innen laut einer Studie. Die gegenwärtigen Krisen stärken Ressentiments.
Sie sehe die Befunde „mit großer Sorge“, sagte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Montag bei der Vorstellung der aktuellen Daten der Langzeitstudie zu Entwicklungen rechtsextremer Einstellungen. 2.048 Berliner*innen wurden befragt. Seit 2019 wird der „Berlin Monitor“ im Auftrag des Senats von Wissenschaftler*innen der Universität Leipzig durchgeführt.
Die Klimakrise und der Ukrainekrieg hätten einen Einfluss auf die Demokratiebefürwortung, sagt der Soziologe Gert Pickel von der Uni Leipzig. Berliner*innen etwa, die eine Eskalation des Ukrainekrieges befürchten (75 Prozent) oder den menschengemachten Klimawandel ablehnen (25 Prozent), zeigten sich überaus aufgeschlossen gegenüber autoritären Systemen.
Zugleich nehme der Anteil derjenigen, die Verschwörungserzählungen anhängen, stetig zu, von 18 Prozent im Jahr 2019 auf 31 Prozent im Jahr 2022. Sie sei für die Demokratie ein „toxisches Element“ und eine Brückenideologie, die eine Verschiebung nach rechts mit sich bringe, sagt Pickel.
Zunahme autoritärer und rechtsextremer Einstellungen
Nicht zuletzt der Zuwachs rechtsautoritärer Einstellungen sei dramatisch. 8 Prozent der Berliner*innen befürworten dem „Berlin-Monitor 2023“ zufolge eine Diktatur, 19 Prozent äußern den Wunsch nach einem starken Führer. Das alles erinnert an dunkle Zeiten. Dazu passen die Befunde zur Verbreitung antisemitischer Ressentiments. Auch diese würden in der aktuellen Krisenzeit wieder aktiviert. „Das antisemitische Sündenbockprinzip ist eines, das noch immer existiert“, sagt Pickel. Schon vor dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem nachfolgenden Krieg im Gazastreifen habe es eine Problemlage gegeben, „die antisemitische Ressentiments wieder gesellschaftsfähig gemacht hat“, so Pickel.
Neben antisemitischen Einstellungen seien dabei auch antimuslimische Ressentiments weit verbreitet und, so der Soziologe, „durchaus bedenkenswert“. 20 Prozent der Befragten weisen demnach ein geschlossen muslimfeindliches, rassistisches Denken auf, 48 Prozent lehnen den Islam überzeugt ab.
Auch antifeministische und sexistische Einstellungen grassieren. Rund 40 Prozent der Befragten empfinden Transgeschlechtlichkeit als „unnatürlich“, 25 Prozent befürworten, dass Homosexuelle rechtlich nicht geschützt werden sollten. Das sei eine „nicht zu unterschätzende Gruppengröße“, warnt Pickel.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, bedürfe es Bildung und Brückenbauer*innen. „Persönliche Kontakte haben sich als etwas erwiesen, das eine Normalisierung der Verhältnisse mit sich bringt“, sagt Pickel. Schließlich müsse man größere Identifikationsgruppen schaffen, um Menschen aus ihren Subgruppen rauszubekommen. Sie wolle mehr tun für eine „Berliner Identifikation“, sagt Senatorin Cansel Kiziltepe – „für ein gemeinsames Miteinander“.
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